Lagerstättenwasser – Teufelsgebräu?

In der Diskussion um Fracking kommt man immer wieder auf die eingebrachte Chemie („frac fluid“) und das, was bei der Gasförderung an Wasser wieder mit herauftransportiert wird (Flowback). Der Flowback besteht aus einem Anteil des frac-fluid, der wieder mit an die Oberfläche zurückkommt, und einem insgesamt deutlich größeren Anteil an Wasser, das aus dem Untergrund stammt und von dort verschiedene Stoffe wie Schwermetalle und Salze mitbringt.
Auf seiner siebten Plenumsveranstaltung im Winsener Marstall hatte die BI „Kein Fracking in der Heide“ den Professor Wolfgang Calmano von der TU Harburg eingeladen, über Entsorgung giftiger Abwässer bei der Gas- und Ölförderung zu referieren. Als Wasserchemiker und Gutachter hatte er ein ganzes Berufsleben lang mit vergleichbaren Themen zu tun: wie kann man Schwermetalle aus Abwässern entfernen? Wie lässt sich der Schlamm reinigen, der bei Pflege und Wartung des Hamburger Hafens anfällt? Usw.
Prof. Calmano gab einen aktuellen Überblick über die bekannten und unbekannten Stoffe, die in den verschiedenen zur Anwendung kommenden frac-fluids auftreten. Er zeigte auf, dass das mit dem geförderten Gas wieder an die Oberfläche gelangte frac-fluid nach wenigen Fördertagen stark zurückgeht und eine viel größere Menge an Wasser bzw. Dampf mit dem Gas heraufkommt, das aus dem tiefen Untergrund stammt und in dem sich giftige Stoffe zum Teil gelöst haben, zum Teil an im Wasser schwimmenden Feststoffen angelagert sind.
Bisher wird dieses Lagerstättenwasser einfach wieder in den Boden zurückgepresst, nachdem eine grobe Reinigung durchgeführt wurde. Calmano wies auf die verschiedenen Möglichkeiten hin, das Wasser so zu reinigen, dass keine Gefahr mehr davon ausgeht. Die Verwirbelung im Hydrocyclon wird schon heute vielfach eingesetzt. Ansonsten findet man einfach Filtrierungs- und Sedimentierungstechniken. Sauber wird das Wasser aber erst, wenn aufwändigere Verfahren eingesetzt werden (Flotation, Stripping, Adsorption, Umkehrosmose, Ionenaustausch, Vakuumdestillation und andere). Viele dieser Vorgehensweisen brauchen viel Energie – wie z.B. auch die relativ simple Verdampfung, für die man aber viel Strom braucht. Andere sind sehr teuer und brauchen größere Anlagen, um sie bei den anfallenden Wassermengen von täglich hunderten oder tausenden von Kubikmetern Wasser durchführen zu können.
Die Konsequenz wäre also: Das Gasbohren verschlechtert seine Energiebilanz ganz erheblich (man verbraucht sozusagen schon ein Gutteil der geförderten Energie bei er Gewinnung), und der Preis würde erheblich steigen. Die Schlussfolgerung aus diesen Ausführungen von Calmano: wenn man das Lagerstättenwasser so reinigt, wie es aus seiner Sicht als Wissenschaftler vertretbar wäre, wäre Erdgas kein konkurrenzfähiger Energieträger mehr. Außerdem müssten über die chemischen Vorgänge unter den Druck- und Hitzeverhältnissen in mehreren tausend Metern Tiefe viel mehr Erkenntnisse gesammelt werden, es müssten wissenschaftliche Modelle erstellt und geprüft werden. Dieses Vorgehen würde aber längere Zeit in Anspruch nehmen, in der zumindest eine Ausweitung der Gasförderung in den derzeit ausgewiesenen Aufsuchungsfeldern nicht stattfinden dürfte. Das häufig eingebrachte Argument, „unser“ Erdgas sei eine Brückentechnologie bis die Energiewende vollzogen ist, fällt in sich zusammen. Wenn man in ferner Zukunft genauere und nachprüfbare Aussagen darüber machen könnte, welche Technologien zur Förderung fossiler Energieträger (Erdöl, Erdgas) unbedenklich sein könnten, dann ist die Energiewende längst vollzogen. Bis dahin brauchen wir andere Lösungen.
Auf der Veranstaltung im Winsener Marstall, an der siebzig Zuhörer teilnahmen und im Anschluss an den Vortrag über eine Stunde lebhaft diskutierten, wurde ein Bedürfnis deutlich: Die Menschen wollen wissen, was sie konkret machen können. Die Veranstalter wiesen auf die Demonstrationen in den nächsten Wochen hin: am 22.2.14 findet um 15:30 eine Demonstration am Bohrplatz Bötersen Z11 statt (s. Beitrag auf dieser Homepage vom 5.2.14). An dieser Bohrung will Exxon fracken und hat bereits zweimal entsprechende Anträge gestellt, die jeweils vom LBEG zurückgewiesen wurden. Außerdem wird unter dem benachbarten Hassendorf seit 25 Jahren Lagerstättenwasser verpresst – mittlerweile erreicht die im Kreis Rotenburg verpresste Wassermenge fast die 3,5 Millionen Kubikmeter-Marke.
Außerdem findet am 22.März 2014 bundesweit ein dezentraler Aktionstag in den Landeshauptstädten statt, um mit Nachdruck die Energiewende zu unterstützen. In Hannover wird ebenfalls demonstriert – über das Angebot von Mitfahrgelegenheiten (Busfahrt?) wird zeitnah informiert.
Und nicht zuletzt, was jeder tun kann (und sollte): Die Korbacher Resolution, die europaweit beworben wird und das Ende für Umweltrisiken durch Fracking und Gasbohren fordert, soll im Internet unterzeichnet werden: https://www.openpetition.de/petition/online/korbacher-erklaerung-der-buergerinitiativen-gegen-fracking-deutschland
Viele der siebzig Teilnehmer an der Veranstaltung dürften mit dem Gefühl nach Hause gegangen sein, sich gut informiert und Position bezogen zu haben. Kein Fracking in der Heide.

(-ie)

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