Hannover gibt grünes Licht für „fracking light“

DSC_4104 HP_bearbeitet-1Ein Jahr lang ließ der Wirtschaftsminister die BIs auf ein Gespräch warten. Jetzt konnten die letzten 2200 Unterschriften übergeben werden, die im Kreis Harburg zusätzlich zu den schon überreichten 5.400 seit Juni 2013 gesammelt worden waren.

Dann wurde zwei Stunden um die Bewertung der niedersächsischen Vorhaben gegen Fracking gerungen. Die Vorbehalte der BIs konnten dabei nicht ausgeräumt werden. Am deutlichsten wird das bei den Stichpunkten Umweltverträglichkeitsprüfungen, Schäden durch Gasbohren und Fracking, Lagerstättenwasser und gesundheitliche Auswirkungen.

Umweltverträglichkeitsprüfungen bleiben unverbindlich
Niedersachsen legt viel Wert auf die Entwicklung neuer und umfassenderer Umweltverträglichkeitsprüfungen (UVPs). Die geplanten Bohrvorhaben sollen gründlich durchleuchtet werden: beeinflussen sie die Natur, gefährden sie die Gesundheit? Schon als die geplanten neuen Richtlinien diskutiert wurden, haben die BIs detaillierte und nachhaltige Kritik geübt. Was aber vor allem bis heute unverändert gilt: die UVPs sind rechtlich unverbindliche Verfahren, es gibt keine bindende Wirkung. Wenn eine UVP Risiken ergibt, können diese im Bewilligungsverfahren berücksichtigt werden – aber sie müssen nicht. Damit bleiben der Willkür Tür und Tor geöffnet. Die Sprachspiele der Vergangenheit haben gezeigt, dass negative Ergebnisse gern schöngeredet werden.

Dreißig Jahre „Erfahrungen“ mit Fracking – und keiner hat hingeguckt
Wirtschaft und Wirtschaftsminister sprechen gern und viel davon, dass es seit dreißig Jahren Erfahrungen mit Fracking gebe. Es ist Schönfärberei, wenn damit er Eindruck erweckt wird, diese Erfahrungen seien „gut“. Negative Schlagzeilen hat es einzig nicht gegeben, weil niemand hingeguckt hat.

Bis in die jüngste Vergangenheit wurden wesentlichen Daten nicht dokumentiert: wo wurde Lagerstättenwasser verpresst? Wieviel, und in welcher Zusammensetzung? Welche Stoffe landen z.B. beim Abfackeln des Methans in der Umwelt? Usw. Man hat keine Schäden gefunden, weil keiner danach gesucht hat – und gesundheitliche Auswirkungen als individuelle Disposition deklariert wurden (so zum Beispiel bei den Gasarbeitern in der Altmark, aber auch bei Anwohnern im Kreis Rotenburg und im Heidekreis). Als BIs nach Quecksilber im Umfeld der Bohrstellen gesucht haben, wurden sie sofort fündig. Die gemessenen Werte sind teilweise erheblich erhöht. Und erst jetzt wird das zuständige Landesbergamt langsam tätig und plant, seine Kontrollaufgaben wahrzunehmen.

Vor diesem Hintergrund mutet es waghalsig an, allen Einrichtungen und Bewilligungen Bestandsschutz zuzusichern, wie die Landesregierung es plant. Bahnt sich hier schon die Angst vor Schadensersatzklagen an, die in den TTIP-Handelsabkommen mit den USA verankert werden sollen?

Lagerstättenwasser: ein Schritt vor, zwei zurück
Bis vor einem halben Jahr hatte das LBEG vor, die giftigen Wassermassen, die beim Gasbohren mit nach oben gebracht werden, oberirdisch verarbeiten und entsorgen zu lassen. Wirtschaftsminister Lies sagte jetzt klar: dafür steht keine geeignete Technik zur Verfügung, und es ist doch unschädlich, dieses Wasser weiter unter der Erde zu versenken, wo es auch herkommt. Diese Naivität hat die BIs schon erstaunt. Zum einen gibt es natürlich technische Möglichkeiten, die Gifte (Benzol, Arsen, Quecksilber, Salze usw.) abzuscheiden und zu trennen. Das ist aber aufwändig, und die Kosten würden die Konkurrenzfähigkeit des Energieträgers Gas infrage stellen. Hier fällt die Parallele zur Atomenergie ins Auge: wenn man das Lagerstättenwasser wirklich sicher entsorgen will, muss man aus der Gasförderung aussteigen. Auch Gasbohren hat ein Endlagerproblem. Zum anderen müssen bei den vielen Bohrungen, die mittlerweile getätigt wurden und weiter geplant sind, Wegsamkeiten und Undichtigkeiten befürchtet werden. Der oberirdische Transport birgt Gefahren. Hier wird unser Trinkwasser unzureichend geschützt.

Der Minister sagte zu, Untersuchungen zu gesundheitlichen Auswirkungen durch Umweltgifte wie Quecksilber zu unterstützen. Hier bedarf es der Kooperation von Gesundheitsministerin, Umweltminister und Herrn Lies. Auf keinen Fall, so der Minister, dürften Daten und Fakten verschwiegen, unterschlagen oder verheimlicht werden.

Das Gespräch verlief in einer entspannten Atmosphäre. Der Minister hörte zu, und er argumentierte statt nur abzuwehren. Er wiederholte auch seine Sorge, gegen andere Bundesländer ausgespielt zu werden und dabei missverstanden zu bleiben. Schleswig-Holstein und Hessen beispielsweise würden sich lediglich gegen den Einsatz umwelttoxischer Stoffe beim Fracking einsetzen. Niedersachsen hingegen wolle das Fracken in unkonventionellen Lagerstätten, also zur Förderung von Schiefergas;, ganz verbieten – und den „Rest“, das Fracking in konventionellen Lagerstätten, scharf regulieren. Für diesen Bereich hätten die anderen Länder gar kein Konzept.

Solche Halbherzigkeit sehen auch die BIs kritisch. Aber der niedersächsische Weg (Gasbohren ja, aber mit Fracking light) wird von ihnen nicht mitgegangen. Sie fordern weiterhin, auf Fracking völlig zu verzichten. Das wäre auch das Ende für nennenswerte Gas- und Ölförderung in Niedersachsen. Bei entsprechendem Ausbau der erneuerbaren Energien würde davon keine einzige Glühbirne ausgehen.

In zwei Wochen treffen sich Vertreter der BIs mit Andreas Sikorski, dem neuen Präsidenten des Bundesbergamtes.

 

(Ingo Engelmann Text und Bild  – „BI besichtigt Verpresstelle Grapenmühle“)

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