Die Gefahr einer Gas-Blase werden schon lange heraufbeschworen. Da geht es mal um technisch-betriebswirtschaftliche Spiralen (Le Monde Diplomatique), mal um Desinformationsspiralen (taz und andere), zuletzt um die Spirale aus Klimaschutz und Geldwirtschaft (ZEIT). Letztlich geht es um immer wiederkehrende Themen: private Gewinne und öffentliche Hilfeleistungen, wenn mal wieder eine Blase geplatzt ist.
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In „Le Monde Diplomatique“ , Zeitschrift für internationale Politik, stand vor fast einem Jahr, dass die USA bis 2017 Saudi-Arabien als weltgrößten Ölproduzenten ablösen werden – und zwar fast ausschließlich durch ihre Förderung von Gas aus unkonventionellen Quellen, also aus Schiefergestein und mit Hilfe der Fracking-Technik.
Gleichzeitig mehren sich aber die Anzeichen, dass jede diese Quellen erheblich schneller erschöpft ist, als das zunächst angenommen worden war. Heute weiß man, das die Fördermenge oft im ersten Jahr schon um 60-90% abnimmt (so die Zeitschrift Nature schon im Jahr 2012). Um eine stabile Fördermenge gewährleisten zu können, müssen also immer neue Bohrungen niedergebracht werden. Am Anfang stehen gute Gewinne, aber durch die immer neuen Bohrungen steigen die Kosten irgendwann schneller als die Rendite. Über kurz oder lang entsteht eine Investitionsblase, in die immer mehr Geld gepumpt werden muss, obwohl keine realistische Aussicht besteht, diese Investitionen durch reale Werte oder Produktionen abzusichern – die Blase platzt. 2008 war es die Immobilienblase, die das Bankensystem und die Weltwirtschaft in erhebliche Schieflage brachte und nur durch erhebliche finanzielle Spritzen der öffentlichen Haushalte beruhigt werden konnte.
Damit verbunden war ein Kapitaltransfer aus öffentlichen Haushalten in private Unternehmen. Es gab andere Vorgänger-Blasen, die nach ähnlichem Muster verliefen. In den achtziger Jahren schon kostete die Sparkassen-Blase in den USA den Staat 125 Milliarden Dollar – das drückt den Haushalt dort noch heute. Immer folgt das Spiel dem durchschaubaren Schwindel eines Schneeballgewinnspiels : Es entsteht eine Eigenbewegung durch die Suggestion erheblicher Gewinne, die aber letztlich immer zum Großteil in den Taschen der „Veranstalter“ landen, dann wächst der Druck in der Blase und sie platzt, worauf die öffentlichen Hände, also wir alle, die Aufräumungsarbeiten bezahlen dürfen. In diesem immer wieder neu aufgelegten Ablauf werden Riesensummen in den Privatsektor gespült, während die Staaten auf den Kosten sitzenbleiben und es so zu erheblichen wirtschaftlichen Engpässen kommt (z.B. „Euro-Krise“). Nicht die Wirtschaft geht daran zugrunde – aber die Demokratie, der Sozialstaat, die solidarische Gesellschaft werden dadurch bedroht.
Die Spirale illustriert die Monde Diplomatique an einem Beispiel: Im texanischen Eagle-Ford-Feld gehen die Fördermengen an jeder Bohrung drastisch zurück. Um die Angebotsmenge an Gas halten zu können, müssen jedes Jahr bis zu 1000 neue Löcher gebohrt werden. Die Kosten für diese neuen Bohrungen liegen im zweistelligen Milliardenbereich. Laut Wall Street Journal befürchtet sogar Exxon, seine Gewinne in diesem Kostenstrudel untergehen zu sehen. Und die Spirale dreht sich in den USA schon ausschließlich, weltweit in immer größerem Anteil im unkonventionellen Sektor, mit Fracking und all seinen Folgen für Trinkwasser und Umwelt. Wann platzt die Blase?
Als die taz vor nunmehr einem halben Jahr (13.11.13) auf Seite 3 mit der Überschrift „Die große Frackingblase“ aufmachte, war allerdings etwas ganz Anders gemeint. Die taz behauptete (wie viele andere Medien in dieser Zeit), ein Fracking-Verbot sei im Koalitionsvertrag zwischen SPD und CDU festgeschrieben worden. Nun sei es vorbei mit dem Fracking-Gespenst. Das war eine Falschmeldung (wie man übrigens auch zu diesem Zeitpunkt schon hätte wissen können). Im Vertrag standen lediglich windelweiche Worte zum Trinkwasserschutz in deklarierten Schutzgebieten sowie vage Formulierungen zu künftigen Umweltverträglichkeitsprüfungen.
Sicher trifft es zu, dass ein Fracking-Boom wie in den USA in Deutschland nicht sehr wahrscheinlich ist. Die US-Industrie hat voll auf Schiefergas gesetzt, und da braucht man aggressives Fracking. Bei uns geht es eher um Gasvorräte in anderen Gesteinsformationen, die man als „tight gas“ bezeichnet und die mit einer etwas anderen Fördertechnik hochgebracht werden. Aber gefrackt wird auch bei tight gas, und zwar schon seit längerem. Um den früheren Versprechungen nicht untreu zu werden („Wir sind gegen fracking bei unkonventionellen Gasvorräten“), benennt man diese tight gas-Vorräte einfach um: wir kennen die ja schon lange, die sind also gar nicht so unkonventionell, und „frackingfrei weil unkonventionell“ bleibt in Deutschland nur das Schiefergas, das interessiert hier aber sowieso kaum ein Unternehmen. Und so können Wirtschaft und Politik das populistische Banner weiter vor sich hertragen: Kein Fracking in unkonventionellen Lagerstätten!
Hier handelt es sich also um eine Informationsblase und um eine Formulierungsblase. Die taz ist der Desinformation durch die Berliner Politik aufgesessen wie viele andere auch (Süddeutsche Zeitung, ZEIT und andere). Aber: die ZEIT lernt dazu. Hatte sie noch vor kurzem der Gas-Lobby viel redaktionellen Spielraum eingeräumt (s. Beitrag vom 9.1.2014 in diesem Blog), schreibt sie nun über globale wirtschaftliche Aspekte der Gas-Blase und wie diese sich im Umgang mit Klimawandel und Kapitalmarkt auswirkt („Bohren, bis die Blase platzt!“, ZEIT vom 13.2.2014).
Im Mittelpunkt dieses Artikels steht nicht die Frage, wieviel Vorräte an Kohle, Öl und Gas gibt es denn nun überhaupt weltweit und stimmen die unterschiedlichen Schätzungen, sind sie zu hoch oder zu niedrig angesetzt? Sondern: wieviel Verbrauch an Kohle, Öl und Gas können wir uns erlauben, ohne die Klimakatastrophe unausweichlich zu provozieren? Bis 2050 dürfen rund 900 Gigatonnen Co2 ausgestoßen werden, sonst kriegen wir das Klima nicht mehr in den Griff und es kommt zu unabsehbaren Folgen. Aber: wenn alles, was heutzutage an Vorräten an Kohle, Gas und Öl bekannt ist, tatsächlich verbrannt wird, dann pustet das mindestens das Dreifache des klimatechnisch Zulässigen in die Umwelt.
Das geht gar nicht.
Also: wir müssen die Finger von einem Großteil der bekannten Vorräte an fossilen Energieträgern lassen. Wir dürfen sie einfach gar nicht anrühren. Und vor diesem Hintergrund macht es überhaupt keinen Sinn, auch nur noch einen Euro oder Dollar in das Auffinden neuer Vorräte zu investieren. Die Firmen müssen darauf verzichten, weiter zu fördern, was das Zeug hält, und es muss einen kontrollierten Ausstieg aus den fossilen Energien geben.
Nun wurden aber 2012 für das Aufspüren und Explorieren von neuen Vorräten weltweit über 670 Milliarden Dollar ausgegeben. Diese unvorstellbare Summe, die rausgeschmissen wurde, um Vorräte zu finden, die keiner braucht, wollen die Firmen natürlich irgendwie wieder reinkriegen. Daher werden sie nicht so ohne Weiteres und ohne staatlichen Druck darauf verzichten, so weiter zu machen wie bisher. Wir brauchen dringend Korrekturen für den staatlichen Umgang mit Aufsuchungen: Die bedingungslose Erlaubnis, es darf alles rausgeholt werden, was im Boden ist, ist anachronistisch wie Röhrenfernseher oder Nokia-Handys. Erfahrungsgemäß gehen Kohle-, Öl- und Gasfirmen bei der Förderung der Rohstoffe ebenso skrupel-wie gewissenlos vor. Das zeigen die Erfahrungen mit Kohleabbau von Kolumbien („El Cerrejon“) bis Deutschland (Braunkohleabbau in der Lausitz oder bei Garzweiler im Rheinland), mit Bohrinseln wie Deepwater Horizon im Golf von Mexico (BP) bis Brent Spar (Exxon/Shell), mit Umweltzerstörungen z.B. durch lecke Pipelines in Nigeria (Shell) bis Kanada (z.B. Alberta, Pipelinebetreiber Plains All American).
Wir ahnen schon, was uns die Industrie vorschlagen wird, um der Zwickmühle zu entkommen: wenn zu viel CO2 in die Umwelt gelangt, müssen wir es eben binden und unschädlich machen. Die Verpressung von CO2 in den Boden ist bei uns in Niedersachsen nicht zulässig, aber das kann sich ja ändern. Dass das Gas mit seinen kleinen Molekülen nicht in der Erde bleiben wird, zeigt sich dann erst später. Aber bis dahin kann man in Europa so viele Kohle verbrennen, die die USA nicht mehr brauchen, weil sie ja gefracktes Gas nutzen…
Geld spielt keine Rolle, so sieht es in diesem ganzen Kreislauf aus. Investitionen werden finanziert über immer neue Wertpapierfonds und andere Anlageformen. Große Banken wie die HSBC in England geben zu, dass es sie empfindlich treffen würde, wenn z.B. BP 25% seines Anlagevermögens verlieren würde – und das wäre der Fall, wenn BP die von ihm beanspruchten Vorräte nicht fördern würde. Das Geld für die reibungslose weitere Förderung stammt aus allen Quellen der Geldwirtschaft, Rentenkassen, aus Anlagen vieler Bürger, aus allen möglichen Geldgeschäften von Banken, Versicherungen und Hedgefonds. Diese stehen zum Teil ganz direkt hinter bzw. über den Firmen: Das in Norddeutschland berüchtigte weil unauffindbare Unternehmen Blue Mountain Exploration LLC und die ihm übergeordnete Kimmeridge Energy gehören dem Hedgefonds AllianceBernstein, Großaktionär von dieser Heuschrecke wiederum ist die Versicherungsfirma AXA aus Frankreich. Öl und Geld hängen untrennbar zusammen, die Hedgefonds und Banken interessieren sich nur für Öl und Gas als Gewinnbringer. Wir müssen dafür sorgen, dass andere Wertesäulen in diesem Spiel zur Wirkung gelangen: Nachhaltigkeit, Umwelt schützen, Trinkwasser sichern. Aber es wird deutlich, dass man ein großes Rad drehen muss, wenn man sich für die Energiewende einsetzt, weil man an kapitalistische Grundprinzipien rührt. Wie kann der Einzelne oder seine Bürgerinitiative, seine Partei oder sonstige Gruppierung in diesem Getriebe überhaupt wirksam sein? Realistische Einschätzungen sind gefragt, und es geht sicher kein schneller Weg zum Erfolg. Aber schon vor fünfzig Jahren hatte der Dichter Günter Eich dafür einen guten Rat:
„Seid Sand – nicht Öl im Getriebe der Welt!“
Los geht’s.
Quellen:
http://www.monde-diplomatique.de/pm/2013/04/12.mondeText.artikel,a0002.idx,0
http://taz.de/Zu-hohe-Erwartungen-an-den-Gasboom/!127367/
„Bohren, bis die Blase platzt“ (DIE ZEIT No.8/13.2.2014, S. 28)
(-ie)
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