Am Anfang war der Leitende Bergdirektor Klaus Söntgerath noch nicht ganz so gut eingestellt auf das Niveau der Besprechung. „Nein, wir sagen gar nicht, dass alles sicher ist“, antwortete er. „Wenn ich jetzt hier die Treppe runtergehe, kann natürlich was passieren, ich kann stolpern. Nichts ist sicher.“ Vor dem Gespräch war den LBEG-Mitarbeitern ein Blumengebinde überreicht worden: mit Tulpen und Primeln und vielen Schildchen, auf denen „Vorsorgegrundsatz“ stand, „Verbesserungsgebot beachten“, „Stop Fracking“ und vieles mehr. Wo das Töpfchen wohl heute steht…
Glücklicherweise fand das Gespräch dann eine angemessenere Ebene, es ging nicht mehr so ums Stolpern. Es ging zunächst um Aufsuchungserlaubnisse, denn dafür ist Herr Söntgerath zuständig. Die rechtliche Grundlage ist klar: das LBEG ist für die Firmen da, die Bodenschätze fördern wollen. Die Firmen werden vom LBEG „geprüft“ – können sie Bonität nachweisen? Haben sie Fachkunde? Über welche Erfahrungen im Arbeitsfeld verfügen sie? usw. Dabei (das betonten die Herrn Söntgerath, sein Justitiar Herr Möller und sein Pressesprecher Herr Beuge immer wieder) recherchiert das LBEG nicht, sondern prüft lediglich nach, ob ihm nachteilige Informationen vorliegen – wenn nicht, geht alles in Ordnung, die Erlaubnis wird erteilt. Diese Schilderung führte zueinem hitzigen Wortgefecht: Wie denn das LBEG eine Firma wie „Blue Mountain Exploration“ geprüft habe, die keine Anschrift hat, keine Mitarbeiter, keien Internet-Präsenz und so alle Qualitäten eines Phantoms aufweist? Wer ist als Vertreter dieser Firma beim LBEG gewesen und hat den Arbeitsplan dieser Scheinfirma präsentiert? Wie kann in einem solchen Fall eine Erlaubnis vergeben werden an eine Fiktion – und wer haftet später? Hat das LBEG schlicht und einfach gar nicht gemerkt, dass es gelinkt wird? Dazu konnten oder wollten die Herren akut nichts sagen, versprachen aber Aufklärung schriftlich und „zeitnah“. Zu dem Problemkreis „Blue Mountain Exploration“ war den LBEG-Vertretern eine ausführliche Darstellung mit allen Zweifeln, Fragen und Rechercheergebnissen der BIs schon mehrere Wochen vor dem Gespräch zugestellt worden. Die entsprechenden Fragen waren auch im letzten Jahr immer und immer wieder gestellt worden. Hier hatte die Vorbereitung offensichtlich versagt. Oder sollte es sich um eine Desinformationsstrategie handeln?
Aus welchen Gründen kann eine Aufsuchungserlaubnis versagt werden? Die Unterstellung, das sei noch nie passiert, wiesen die LBEG-Vertreter weit zurück. Sie konnten allerdings aus dem Kopf nicht sagen, wann eine Ablehnung ausgesprochen worden sei und aus welchen Gründen. Auch das wird schriftlich nachgereicht.
Die Aufsuchungserlaubnis Prezelle im Kreis Lüchow-Dannenberg konkurriert mit dem Antrag des Unternehmens „Salinas“, das in der Region Salz fördern will. Es grenzt außerdem fast unmittelbar an den Salzstock Gorleben, das bisher als Atommüll-Lager galt. Der Protest dagegen hat das LBEG überrascht: als es um einen Aufsuchungsantrag ging, der das gesamte Gebiet des Atomlagers Asse umfasste, habe keiner was gesagt. Allerdings haben zufällig in dieser Region zwei Unternehmen ihre Aufsuchungserlaubnisse zurückgegeben: BNK und Wintershall. In beiden Fällen dürfte der aktive Widerstand vor Ort eine wesentliche Rolle gespielt haben: die Firmen fürchteten um ihren Ruf. In Lüchow-Dannenberg sucht jetzt eine unbekannte Firma (hat vielleicht noch keinen Ruf zu verlieren) mit Hilfe von Hubschraubern nach Erdgas. Das LBEG wird hier nähere Einzelheiten schriftlich mitteilen…
Immer wieder kamen die LBEG-Vertreter in den verschiedensten thematischen Zusammenhängen auf die rechtlichen Rahmenbedingungen zu sprechen. Es handele sich vielfach um „gebundene Entscheidungen“: wenn jemand einen Antrag stellt, fragt sich das LBEG nicht, ob es das richtig oder falsch findet, gut oder schlecht. Sondern es fragt: steht dem eine rechtliche Bestimmung oder ein gesetzlich festgelegtes Schutzbedürfnis entgegen? Wenn nicht, muss genehmigt werden. Sorry, Umwelt, sorry, Trinkwasser, aber das LBEG meint es nicht persönlich. Viele der Bedenken, die von den Landkreisen gegen die Gasbohrpläne (erster Schritt: Aufsuchung) vorgebracht wurden,seien für das LBEG daher schlicht nicht zu beachten. Rechtlich existieren diese Bedenken dann gar nicht. Und so kommt es, dass über 26.000 km² des niedersächsischen Landesgebiets (das ist weit mehr als die Hälfte) bis heute mit Aufsuchungsfeldern überzogen ist, das sind fast vierzig. Die drei größten Nutznießer sind Exxon, RWE Dea und GDF Suez. Das LBEG dürfe nicht einmal den Zuschnitt eines beantragten Aufsuchungsfeldes verändern, z.B. um bestimmte Flächen auszuschließen – es sei denn, hier würden Firmeninteressen gefährdet. Nur dann darf das LBEG Veränderungen vornehmen, nicht bei Gefährdung von Umwelt und Bevölkerung. Das Bundesberggesetz ist halt so.
Wenn ein Mitarbeiter in dieser Zwickmühle mal anders vorgehen möchte, um die Risiken für Mensch und Umwelt nicht ins Kraut schießen zu lassen, dann werde er „abgebügelt“, klagten die LBEG-Vertreter. Allerdings war in der Folge nicht herauszubekommen, von wem… denn das war natürlich alles gar nicht so gemeint (wurde gleich wieder abgewiegelt). Im Übrigen würde es dem Amt schon helfen, wenn es eine politische Entscheidung (z.B. gegen Fracking) gebe, weil dann klar wäre, wo es hingeht und dass das LBEG nicht dafür verantwortlich gemacht würde, wenn es frackingverhindernde Entscheidungen träfe. Andernfalls (wenn die Regierung keine Vorgaben macht) wäre das Amt ja schutzlos und müsste ggf. haften – das fördere vorsichtiges und zauderndes Verhalten. Die BIs machten deutlich, dass sie diese Erwartung gern mit in das geplante Gespräch mit Wirtschaftsminister Lies nehmen, aber da war auch diese Äußerung schon nicht mehr so gemeint gewesen. Bloß keine Position beziehen und womöglich halten!
Das war dann auch das Fazit für die BIs: die Gesprächsatmosphäre war durchaus freundlich und bis auf wenige Ausrutscher hatten die BI-VertreterInnen nicht das Gefühl, sie würden wie lästige und abzuwimmelnde Querulanten behandelt. Das Recht auf Information war nicht infrage gestellt (ist ja auch eine gesetzliche Vorgabe), die Berechtigung der formulierten Forderungen (Vorsorge, Wasserschutz, Interessen der Bevölkerung vor Profitinmteresen der Unternehmen) wurden nicht von vornherein zurückgewiesen, nur: das LBEG kann mit dem Berggesetz im Nacken da leider so wenig tun… Hier hätten sich die BIs eine beherztere Positionierung gewünscht.
Es könnte sich als hilfreich erweisen, dass Herr Söntgerath auf die besondere Rolle hinwies, die die Stellungnahmen der Landkreise („Untere Wasserbehörde“) im Betriebplanverfahren spielen können. Solche Hinweise (wenn sie sich denn umsetzbar sind) können den Regionen nützen. Ein bisschen mehr von dieser Unterstützung und konkreten Hinweisen und Angeboten hätten sich die BIs gewünscht.
Die Gespräche werden fortgesetzt. Vielleicht ist das ja schon ein minimales Ergebnis. Einigen in der Anti-Gasbohr-Szene wird das nicht reichen, aber die BI-TeilnehmerInnen am Gespräch waren sich einig: Solche Gespräche bergen Chancen, und die sollen nicht vergeben werden. Und: es macht durchaus Spaß, dem LBEG zu demonstrieren, das die BIs in so vielen Punkten bestens informiert sind (oft besser als das LBEG). Die BIs warten gespannt auf die schriftlichen Informationen, die innerhalb der nächsten Woche kommen sollen.
(-ie)
Teilnehmende BIs bei diesem Gespräch: BI Lüchow-Dannenberg, „Wir gegen Fracking“ (Lüneburg), BI gegen Atomanlagen Uelzen, „Kein Fracking in der Heide“ (Keis Harburg), Frackloses Gasbohren Rotenburg, Gegen Gasbohren Rotenburg e.V., BI Frackingfreies Hamburg, BI Vierhöfen, UBI Salzhausen
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