Am 5. Dezember 2016 kommt der Bundestagsabgeordnete Bernd Westphal (SPD) zu einer Veranstaltung unter dem Titel „Fracking bei uns?“ in den Landkreis Harburg. Eingeladen hat ihn die hiesige SPD-Bundestagsabgeordnete Svenja Stadler.
Wer kommt denn da?
Bernd Westphal ist vielen Menschen nicht sofort ein Begriff. Beruflich hat er nach einer Ausbildung als Laborant und einem Studium an der gewerkschaftsnahen Sozialakademie Dortmund lange als Sekretär und Vorstandssekretär bei der Gewerkschaft Bergbau, Chemie und Energie (IGBCE) gearbeitet. In diesem Kontext war er bis 2013 Mitglied des Exxon-Aufsichtsrates.
Er ist seit drei Jahren im Bundestag und seit dem letzten Jahr Sprecher des Fraktions-Arbeitskreises „Wirtschaft und Energie“.
Westphal ist ein bodenständiger Bundestagsabgeordneter, der aus Hildesheim kommt und seinen dortigen Wahlkreis kennt. An diesem Wochenende eröffnet er die Kaninchenschau im Flecken Rössing (Landkreis Hildesheim). Er veröfentlicht im Schnitt jede Woche eine Pressemitteilung, in der über seine Aktivitäten im Landkreis berichtet (1): Auf Tour mit dem ambulanten Pflegedienst, an der Kasse eines Supermarktes, zu Besuch bei Flüchtlingen. Als gestandener IGBCE-Funktionär sieht er sich prädestiniert für Fragen der Energie, zu denen er im Bundestag auch Stellung bezieht.
Bei der ersten Bundestagsdebatte im Mai 2015 verwies er auf die günstigen Energiepreise in den USA aufgrund des Schiefergas-Fracking (2). Diese kommen der chemischen Industrie dort zugute, betonte er. Das brauchen wir in Deutschland auch, „deshalb gibt es auch für uns einen Grund, diese Technologie anzuwenden und sie nicht leichtfertig aufzugeben“. Er zieht wiederholt die nationale Karte: „Die Braunkohle ist der einzige heimische, ohne Subventionen auskommende Energieträger, der für Preisstabilität sorgt. Deshalb müssen wir auch, was die Versorgung mit Energie angeht – Energie ist Wohlstand –, schauen, was national zur Verfügung steht“ – also fördern, was zu fördern ist, Braunkohle schon mal allemal, und Gas auch, wo es irgend möglich ist. Wir haben schon zu viele Chancen verpasst, die Speicherung von CO2 mit der CCS-Technik (von der man sich in Niedersachsen allerdings auf Ebene der Landesregierung abgewendet hat – und nicht nur dort). Westphal beruft sich immer wieder auf die Bundesanstalt für Geologie und Rohstoffe (BGR).
Auch bei der Debatte über das Fracking-Ermöglichungs-Paket im Bundestag am 24.6.2016 meldete sich Westphal wieder zu Wort (3). Er berief sich auf das abgenutzte und eigentlich überholte Argument, Fracking sei in Deutschland ja in den letzten fünfzig Jahren erfolgreich und ohne Nebenwirkungen eingesetzt worden. Offensichtlich nimmt er die aktuellen Entwicklungen bei der Untersuchung von Quecksilberkontaminationen, radioaktiv verseuchten Rohrleitungen und Böden und vor allem unerklärlichen Gesundheitsschäden wie erhöhten Krebsraten einfach nicht zur Kenntnis. Seine relativ uninspirierte Botschaft: „Dieser Gesetzentwurf ist allemal besser als gar keine Regelung“. Sein Credo verrät ungebrochenes Vertrauen in Technologie und Wirtschaft: „Wir müssen doch in Deutschland zumindest in der Lage sein, so eine Technologie ausprobieren zu können“. Im Gegensatz zu vielen anderen seiner Redebeiträge beendet er diesen allerdings nicht mit dem Bergmannsgruß „Glück auf“.
Herr Westphal ist ein ehrenwerter Mann. Seine Argumentation ist schlicht und von keinerlei Zweifeln durchzogen. Was sollte er uns zu sagen haben?
Die Gewerkschaft IGBCE
Die Argumentation ist in vielen Bestandteilen bekannt. Sie stammt aus den Verlautbarungen und Strategien der Gewerkschaft Bergbau, Chemie und Energie IGBCE. Diese Einzelgewerkschaft ist für viele der rechte Flügel der Gewerkschaftsbewegung, konservativ und wirtschaftsfreundlich. Sie verfügt über ein schwer bezifferbares, aber ganz erhebliches Immobilienvermögen, die sie vermutlich zu einer der reichsten Einzelgewerkschaften macht. Auf ihrer Internetseite dokumentiert die IGBCE als letzten Stand der Meinungsbildung den Gewerkschaftstag 2013 (der nächste kommt dann 2017) (4). Damals hat die IGBCE über zwei Anträge abgestimmt, die etwas zum Stichwort „Fracking“ aussagen. Der eine stammt vom Hauptvorstand und ist weich formuliert: „Für eine importunabhängigere und kostengünstigere Gasversorgung der Zukunft müssen jetzt auch unkonventionelle Gasvorkommen in Deutschland aufgesucht und erkundet werden“. Das muss man wohl als verklausulierte Stellungnahme pro Fracking verstehen. Außerdem spricht sich der Hauptvorstand in dem umfangreichen Grundsatzantrag zur Energiewende für die Nutzung der Braunkohle aus und fordert, endlich mit CCS-Techniken zu beginnen. Herr Westphal ist seinem ehemaligen Arbeitgeber offensichtlich weiterhin sehr verbunden, so übernimmt er diese Positionen eins zu eins.
Übrigens wurde der zweite Antrag zu Fracking auf diesem Gewerkschaftstag dem Hauptvorstandsantrag als „Material“ hinzugefügt. In diesem fracking-kritischen Antrag hatte der Bezirksverband Alsdorf der IGBCE verlangt, vor einer Zulassung von Frackingtechnik müsse die Unbedenklichkeit der Lagerstätten gesichert sein, jeder Bohrung habe eine Umweltverträglichkeitsprüfung voranzugehen, und die Lagerstättenwasser seien zu klären und zu reinigen. Darüber wurde dann vorsichtshalber gar nicht abgestimmt. Diese Nichtbefassung und Zuordnung als Material ist ein Begräbnis erster Klasse – so muss man über einen unliebsamen Antrag nicht abstimmen lassen.
Die IGBCE hat ein gutes Netzwerk in Wirtschaft und Behörden. Sie ist der Bundesanstalt BGR verbunden, und auch der LBEG-Präsident Sikorski verfügt über gute Drähte zur IGBCE, die ihn auf einer ihrer Gutachterlisten führte. Man ist nicht schlecht aufgehoben bei der IGBCE. Es sei denn, man ist umweltbewegter Bürger oder erkrankt durch schlechte Luft und schlechten Boden in Regionen der Kohle- und Gasförderung.
Am Montag, 5.12.2016, 19 Uhr, kommt Herr Westphal nach Fleestedt (Fleester Hoff, Winsener Landstraße 52, 21217 Seevetal-Fleestedt). Vielleicht gibt es an ihn ein paar Fragen.
(1)http://bernd-westphal.de/mein-wahlkreis/pressemitteilungen-fuer-den-wahlkreis-2016/
(2)http://dipbt.bundestag.de/dip21/btp/18/18103.pdf#P.9797
(3) http://dipbt.bundestag.de/dip21/btp/18/18180.pdf#P.17803
(4) https://www.igbce.de/vanity/renderDownloadLink/224/62122
(Ingo Engelmann)
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