Am 17.9.14 kamen über hundert Bürger in das Hittfelder Veranstaltungszentrum „Burg Seevetal“, um sich von Politikern und anderen Fachleuten was zum Thema „Fracking im Landkreis Harburg“ erzählen zu lassen. Eingeladen hatte die SPD-Bundestagsabgeordnete Svenja Stadler, die schon länger Fracking-kritische Positionen vertreten hatte. Nach den wohlklingenden, aber wenig konkreten und kaum aufschlussreichen Anfangsstatements der Experten aus Politik, Wissenschaft und Wirtschaft konnten Zuhörer Fragen stellen. Ein paar wurden sogar beantwortet. Am interessantesten ist aber wie immer das, was nicht oder allenfalls im Nebensatz beantwortet, besprochen, thematisiert wurde. Hier einige offen gebliebenen Punkte:
Lieber Herr Miersch (Umweltpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion)!
Sie beklagen, in Berlin sei die Lagerstättenwasser-Thematik weitgehend unbeachtet, vielleicht sogar bei einigen unbekannt. Man spricht viel über dieses oder jenes Frack-Fluid, wobei die Industrie betont, wie entschärft diese Substanzen mittlerweile seien. Aber was mit dem immer und überall anfallenden vergifteten Abwasser passieren soll, bleibt unbeachtet. Wir von „Kein Fracking in der Heide“ versprechen: Wenn wir am Treffen der SPD-Bundestagsfraktion mit BIs und Fachleuten zum Thema Fracking am 7.10.2014 teilnehmen, werden wir tun, was wir können, um dieses Thema in den Blick zu kriegen. Aber was passiert mit den Versenkstellen, die schon existieren – und die Bestandsschutz genießen sollen? Einige liegen in Wasserschutzgebieten. Was gibt es da zu schützen? Doch wohl nur das Trinkwasser! Der Besorgnisgrundsatz, eine drohende Verschlechterung der Wassersituation sei in jedem Fall auszuschließen, darf nicht technologisch oder bürokratisch ausgehöhlt werden! Kein Fracking in der Heide, kein Lagerstättengift ins Grundwasser!
Lieber Herr Hoppenstedt (Baukreisrat Landkreis Harburg)!
Es könnte beruhigen, dass der Landkreis Harburg nach wie vor Fracking im Kreisgebiet ablehnt, weil öffentliche Interessen dem flächendeckend entgegenstehen. Aber warum gibt es noch immer keine moderne Neuausweisung von Trinkwasserschutzgebieten, die z.B. die Gebiete der Heidewasserentnahme einschließt?
Die Verwaltung argumentiert hinhaltend und rechtfertigt ihre Tatenlosigkeit mit technischen Spitzfindigkeiten, aber was uns Bürger interessiert, ist ausschließlich der sofortige und umfassende Schutz unseres Trinkwassers, soweit die geltende Rechtslage das erlaubt! Wann werden Sie hier tätig?
Lieber Herr Olsson (Umweltchemiker Leuphana Universität Lüneburg)!
Ihre Hinweise auf die Problematik des Lagerstättenwassers sind hilfreich. Aber von einem Wissenschaftler auf einer solchen Fracking-Veranstaltung wünschen wir uns weitergehende Einblicke in die wissenschaftlichen Erkenntnisse über die Umweltschäden, die in anderen Regionen mit langjähriger Erdgasförderung und Fracking gemacht werden. In den USA gibt es neuere Untersuchungen zur Verunreinigung des Trinkwassers durch Schäden an der Verrohrung und Zementierung von Bohrstellen. Es gibt Erkenntnisse über Erdstöße, die auf Verpressung von Lagerstättenwasser zurückgeführt werden. Helfen Sie den Bürgern gegenüber den lautstarken Gruppierungen in der wirtschaftsnahen Wissenschaft, die immer noch das Fracking in Schiefergestein befürworten (RiskCom, BGR) – statt beim Schutz des Trinkwassers mit anzupacken.
Lieber Herr Martins (Abteilung Kommunikation ExxonMobil)!
Wie können Sie es wagen, die Forderung nach der riskanten Fracking-Förderung von Schiefergas ungerührt weiter vorzubringen? Wieso gaukeln Sie ständig vor, in fünfzig Jahren Frack-Technik beim konventionellen Gasbohren sei doch alles gut gegangen? Es ist doch nur einfach nicht überprüft worden! Oder wo können Sie die „Erfolgsbilanz“ der Gasförderung durch Messergebnisse oder Monitoringprojekte untermauern? Es ist doch in Wahrheit so: fünfzig Jahre wurde dem Boden alles zugemutet, solange die Bevölkerung nicht aufmuckte. Wissen Sie denn überhaupt, was in dem von Exxon und den anderen Firmen verpressten Lagerstättenwasser genau enthalten ist? Niemand kann genau sagen, was für Stoffe und welche Gifte im Einzelnen versenkt worden sind, aber Sie behaupten, es sei unschädlich?!
Warum wiederholen Sie unablässig das Märchen, Fracking für Erdgasgewinnung sei als Brückentechnologie erforderlich, um den Übergang zu erneuerbaren Energien zu begleiten? Die Stellungnahmen des Umweltbundesamtes oder des Sachverständigenrates beim Bundesumweltministerium sprechen da eine ganz andere Sprache. Die Erforschung offener Risiken beim Fracking würde sich über einen Zeitraum von mindestens acht bis zehn Jahren hinziehen, eher länger. Danach wäre fundierter zu bewerten, welche Risiken handhabbar sind und welche nicht. Aber dann brauchen wir keine sogenannte Brückentechnologie mehr, denn der Übergang zu erneuerbaren Energien sollte dann soweit sein, dass das deutsche Gas (eine geringe Menge, verglichen mit anderen Ländern) gar nicht mehr benötigt wird. Wozu also große Summen in eine Forschung stecken, die nach ihrem Abschluss keine Verwendung finden wird? Sie gehen ja aber wesentlich weiter: wenn es nach Ihnen ginge, würde Exxon mit dem Fracking sofort anfangen. Egal, was alles wissenschaftlich ungeklärt ist. Hauptsache, man baut eine „Brücke“ – wohin die führt, wird man dann ja sehen.
Warum beantworteten Sie auf der Veranstaltung die Frage nicht, ob und wann Exxon eine verlässliche Reinigung des Lagerstättenwassers vornimmt? Sie erwähnten ausschließlich mit blumiger Formulierung die „Schwerkraftreinigung“ – Feststoffe sinken ab und der abgesunkene Schlamm wird entsorgt. Wie und wohin entsorgt wird, wird wie immer und überall beantwortet mit „Das übernehmen zertifizierte Entsorgungsfirmen, dafür gibt es Vorschriften“. Das ist völlig unzureichend. Was könnte man tun? Membranfilter, Zentrifugieren – die verfügbaren Techniken sind Ihnen offensichtlich zu teuer. Wir kennen das von den Rohrleitungen, in denen Exxon Lagerstättenwasser transportiert: statt inwandig verkleideter PE-Rohre wurden welche verwendet, bei denen Benzol durch Rohre hindurchwanderte und außen das Erdreich vergiftete. Exxon beschränkt sich darauf, die Rohre dort auszutauschen, wo Verunreinigungen bekannt geworden waren. Die untauglichen Rohre bleiben aber ansonsten in Betrieb. Auf eine entsprechende Frage sind sie nicht eingegangen. Sind Sie sicher, dass das Landesbergamt die Sonderbetriebserlaubnis für diese Rohre nicht generell zurückzieht? Wir werden uns dafür bei unserem nächsten Gespräch mit LBEG-Präsident Sikorski einsetzen. Nur in einem Punkt können wir Ihnen zustimmen: sie stellten fest, dass die BIs wohl Exxon misstrauen. Das stimmt, und Ihre verschwommene und hinhaltende Argumentation bestärkt uns darin. Allgemein beruhigen und konkret Drumherumreden – das wird künftig nicht mehr reichen, oder wollen Sie das einfach immer so weiter machen?
Die gestellten Fragen bleiben vorerst unbeantwortet. Weiter bestehen wird das Misstrauen gegenüber den Firmen der Erdgasförderung.
(Text: Ingo Engelmann)