Die Erdgas- und Erdölindustrie ist bereit für den „Neustart“. In den letzten Jahren wurde nur „ganz normal“ gefördert, ohne Fracking, mit den alltägliche Normal-Störfällen und normalen Grenzwertüberschreitungen bei Giftstoffen. „Neustart“ nach Inkrafttreten des Fracking-Regulierungs-Pakets kann nur bedeuten: Es soll wieder gefrackt werden, wo die neuen Regelungen das nicht ausdrücklich verbieten. Im Sandstein also, der vielfach sehr viel fester ist, als es der Begriff „Sand“ suggeriert.
Die Bürgerinnen und Bürger gegen Fracking sind aber nicht der Frühjahrsmüdigkeit erlegen. Wie schon im letzten Jahr treffen sich BIs und andere engagierte Menschen am Ostersonnabend in Rotenburg/Wümme, um gegen Fracking und riskantes Gasbohren zu demonstrieren. In der guten Tradition der Ostermärsche soll ein Zeichen gesetzt werden für eine Lebensweise, bei der der Mensch im Mittelpunkt steht. Wenn wir ein vorschnelles Ende dieser Welt durch völlige Entgleisung des Klimas verhindern wollen, müssen wir auf fossile Energieträger verzichten. Kohle, Erdöl, Erdgas – das muss in der Erde bleiben.
Es passiert dauernd etwas
Angeblich ist das Gasbohren ja kontrollierbar, die Ingenieure werden es schon richten. Ein kleiner Blick in die Runde lässt Zweifel aufkommen. Bei Wittingen hat vor wenigen Tagen eine Nassölleitung der Firma Exxon über 1000m² Ackerland versaut. Laut Landesbergamt sollen ca. 8m³ Nassöl ausgetreten sein – das entspricht einem Gemisch aus ungefähr einem Kubikmeter Rohöl und sieben Kubikmetern Lagerstättenwasser. Bei einer Betriebsbegehung sagte neulich ein Bergdirektor des LBEG beschwichtigend: Wenn einer der Großtanks ein Leck hat, kann man das mit der Schippe aufnehmen, das versickert nicht. Beim Mischungsverhältnis Lagerstättenwasser mit zehn Prozent Öl muss man aber ordentlich auskoffern, und wieviel nun im Grundwasser ankommt, ist offen.
In Leer ist kürzlich bei einem Bohrplatz der Engie eine erhöhte Quecksilberkonzentration festgestellt worden. Das LBEG hat informiert und angekündigt, der verunreinigte Boden müsse „gegebenenfalls“ saniert werden.
Kontrolliert werden soll der Gas- und Ölförderbetrieb laut Politik auch durch die neuen UVP-Bestimmungen. In Umweltverträglichkeitsprüfungen wird unter Beteiligung der Öffentlichkeit geprüft, ob eine Gefährdung der Umwelt durch ein Industrieprojekt vorliegen könnte. Der Rechtsvertreter des LBEG äußerte kürzlich auf einer Anhörung lt. Pressebericht, die UVP-Prüfung werde völlig überbewertet, es komme in einem geregelten Verfahren ja sowieso alles auf den Tisch. Warum haben sich die Politiker und Behörden denn überhaupt auf diese überaus komplexe UVP-Richtlinie geeinigt? Wenn doch sowieso immer alles seinen geordneten Weg geht?
Der geordnete Weg bedeutet im Fall der Reinigungsanlage in Bellen (Kreis Rotenburg), wo Exxon Rohre und Flüssigkeiten dekontaminieren will, dass seitens des LBEG eine UVP-Pflicht nicht gesehen wird. Alles andere hätte auch überrascht. Regelmäßig kann man im niedersächsischen Gesetz- und Verordnungsblatt oder auf der Webseite des Landesbergamtes die Mitteilungen lesen, für welche Projekte das LBEG mal wieder entschieden hat, dass eine UVP nicht erforderlich sei. Mal handelt es sich um die Entnahme von einer Million Kubikmeter Trinkwasser im Jahr, die Exxon in Emden für seine Gasförderung braucht (2013), mal um den Bau und Betrieb einer Reststoffbehandlungsanlage mit Installation zweier Flüssigkeitstanks und dem Bau einer Bereitstellungshalle in Bellen (2015), mal um die dauerhafte Weiterführung einer Bodenfackel (2015) oder die Bohrung einer Lagerstättenwasser-Versenkstelle (2017) usw. usw., die Listen füllen Seiten um Seiten. Viel Routine, viele Kleinigkeiten – und in Einzelprojekte aufgesplittete Vorhaben, deren Tragweite schwer zu ermessen ist. Ein scharfes Schwert scheint die UVP-Drohung derzeit nicht zu sein.
Und wenn Bürger etwas über zurückliegende Störfälle erfahren möchten, laufen sie ins Leere. Unsere Fragen nach den Vorkommnissen bei drei Bohrungen der Engie im Landkreis Harburg, die 2010 teilverfüllt wurden, nachdem die Bohrungen undicht geworden waren, sind bisher unbeantwortet. Engie schreibt, es sei alles in Ordnung (aber was war denn nun wirklich los??!!), der Landkreis weiß von nichts, das LBEG braucht mal wieder am längsten und hat noch nicht geantwortet.
Aus all diesen Gründen bleiben wir aufmerksam und lassen nicht locker. Am 15.4.2017 treffen wir uns in Rotenburg und melden uns zu Wort. Das ist ja wohl das Mindeste.
Treffpunkt: Berufsbildende Schulen Rotenburg/Wümme, Verdener Straße 96
Zeit: Sonnabend, 15. April 2017, 11 Uhr Treffpunkt – Kundgebung gegen 13 Uhr in der Innenstadt
Quellen:
http://www.bveg.de/News/Jahrespressegespraech-2017
https://www.az-online.de/isenhagener-land/wittingen/waessriges-stroemt-acker-8097522.html
http://www.lbeg.niedersachsen.de/aktuelles/pressemitteilungen/erdgasfoerderplatz-leer-z5-orientierende-bodenuntersuchung-ergibt-erhoehten-quecksilberwert—manahmen-eingeleitet-152318.html
https://www.kreiszeitung.de/lokales/rotenburg/bothel-ort120353/viele-fragen-aber-wenig-antworten-8082901.html
http://www.lbeg.niedersachsen.de/bergbau/genehmigungsverfahren/umweltvertraeglichkeitsvorpruefungen/94697.html
https://www.facebook.com/groups/1399461633601941/
(Ingo Engelmann)