Exxon: Letzte Schlacht um Schiefergasfracking?

Die Fracking- und Erdgasindustrie macht mobil. Exxon schaltet bundesweit Zeitungsanzeigen, in denen der gütige väterliche Exxon-Vorsitzende allen die Hand reicht, die Exxon ungestört weiter verdienen lassen wollen (1). Im gleichen Atemzug erledigt er auch noch sprachliche Umdeutungen, die seiner Firma weiterhelfen können. Es gab da diese unschöne Formulierung der „unkonventionellen Lagerstätten“, aus denen das Schiefergas gefördert wird, an das Exxon heran will. Mit „unkonventionell“ war gemeint gewesen, mit der Förderung aus diesen Lagerstätten gibt es gar keine hiesigen Erfahrungen.In seiner energiepäpstlichen Botschaft teilt nun der Vorstandsvorsitzende Kalkoffen mit, Exxon wolle „die Energiewende unterstützen und scheue (..) dabei keine unkonventionellen Wege“. Das ist clever: „Unkonventionell“ ist plötzlich kein mit Vorbehalt besetzter Begriff mehr, sondern das ist modern, das geht nach vorn, Exxon übernimmt gern die Wegweisung. Da stört kein Inhalt in der Formulierung, da wird einzig Sprache genutzt um Stimmung zu machen. Das ist „Neu-Sprech“ aus der Big-Brother-is-watching-you-Geschichte „1984“.

Außerdem gab es da noch das unselige Thema des Lagerstättenwassers. Seit über einem Jahr nerven die BIs, dass die Entsorgung des giftigen Abwassers geklärt werden müsse (im wahrsten Sinne des Wortes). Vor einem Jahr hatte ein LBEG-Direktor noch versprochen, er werde die Industrie anweisen, Reinigungsverfahren für das Lagerstättenwasser zu entwickeln. Die niedersächsische Politik rudert mittlerweile zurück, und die Männer des Landesbergamtes (LBEG) reden nicht mehr von Reinigung. Das Lagerstättenwasser soll weiter in die Erde gepresst werden, nur tiefer als bisher, damit es wirklich aus den Augen ist und bleibt. Herr Kalkoffen hat dafür nur dürre Worte übrig: Bei Schiefergasfracking werde „kein salziges Wasser aus dem Untergrund mitgefördert“. Problem negiert, Problem gelöst. Ganz nebenbei: „salziges Wasser“ ist eine gewaltige Verharmlosung für eine Flüssigkeit, die Quecksilber und Arsen, Benzol und natürliche Radionuklide enthält, in jeweils regional unterschiedlichen Anteilen. Und außerdem salziger ist als jedes Meerwasser auf der Erde.

Aber wie kommt Exxon darauf, es gebe kein Lagerstättenwasser in der Schiefergasförderung?

Schiefergestein speichert deutlich weniger Wasser als Sandsteine. Es wird daher als „trocken“ bezeichnet. Soweit, so gut. In den Poren des Schiefers befindet sich allerdings auch Wasser. Es wäre ja sonst auch nicht zu verstehen, warum es in den USA erhebliche Mengen an Lagerstättenwasser gibt: Schließlich wird dort fast ausschließlich shale gas, also Schiefergas gefördert. Die Menge des anfallenden Lagerstättenwassers wird dort auf ungefähr eine Milliarde Kubikmeter im Jahr geschätzt, vielleicht ein bisschen mehr (2). „Trocken“? In Deutschland sei alles anders, behauptet die Wirtschaft. Schon aufgrund der Gesetze werde hier keine Situation wie in den USA entstehen. Es sind weitgehend dieselben Firmen, die in den USA fördern und die auch in Deutschland von dem Kuchen abbeißen wollen, Exxon in vorderster Linie. Und die Firmen, die in den USA ganze Landstriche verwüsten, die halten wir hier mit dem Landesbergamt als Öl-Sheriff auf? Den Bürgerinitiativen hierzulande wäre deutlich wohler, wenn wir sie gar nicht erst anfangen lassen. Hinzu kommen die Sorgen, dass nationale gesetzliche Rahmenbedingungen durch industriefreundliche Handeslabkommen (TTIP mit den USA, CETA mit Kanada) ausgehebelt werden könnten.

Die Wirtschaft macht also noch einmal mobil. In den letzten Wochen konnte man deutlich hören, dass das Ziel des Schiefergas-Frackings noch lange nicht verloren gegeben wird. Auch bei der Podiumsdiskussion in Seevetal im September redete der Exxon-Vertreter pausenlos von den Segnungen der Schiefergasförderung.

Und die Politik? Das für die BIs unbefriedigende Eckpunkte-Papier der Berliner Fachminister wird in der Berliner Koalition derzeit weiter verwässert. Da wittert Exxon Morgenluft. Und die Medien? Gerade vor einigen Wochen hatten die Firmen auch schon kleinere Siege: Panorama hatte sich vor den Karren der Industrie spannen lassen. Monitor hielt dagegen (3). Der Deutschlandfunk legte nach: „So hat Dannwolf bis kurz vor der Gründung der RiskCom GmbH als Geschäftsführer des Frankfurter Büros der britischen AMEC gearbeitet, einem bedeutenden Zulieferer und Dienstleister der Öl- und Gasindustrie. Zu den größten Kunden der AMEC gehört ExxonMobil.“ (4). AMEC ist mit 23.000 Mitarbeiter weltweit keine ganz kleine Klitsche. Und nach eigenem Bekunden stolz darauf, seit 50 Jahren in Sellafield an der Verarbeitung des Atommülls beteiligt zu sein (na ja, ob ich mich dessen rühmen würde, bei dem miserablen Ruf dieser Anlage?).

Über andere Mitstreiter ist man vielleicht bei Exxon selbst nicht so glücklich. Internetseiten wie „ScienceSkepticalBlog“ (interessante deutsch-englische Schreibweise)(5) entlarven sich mit AfD-Lobeshymnen und anderen kruden Angriffen auf den Zeitgeist („alarmistische Klimaforscher“ verunsicherten die Bevölkerung, die nicht merke, „wie der Verbraucherschutz den Konsumenten entmündigt“ usw.) selbst. Die sich seriöser gebende Seite „Erdöl und Erdgas in Deutschland“ verlinkt sich damit auf der Startseite. Überhaupt bleibt ja eine interessante Frage, was denn die Fracking-Befürworter in ihrem Engagement antreibt. Zum Teil scheint es die berufliche Identität zu sein: der in der Energiebranche erfahrene Ingenieur lässt sich ungern von Laien reinquatschen. Zum anderen geht es um Aufträge und um Geld. Und zum dritten gibt es Positionen am rechten Rand, die nicht zuletzt immer wieder mit den alten Autarkie-Restposten kommen. Aus dieser nationalen Ideologie stammen ja auch noch wesentliche Teile unseres Bergrechtes.

Den Fracking-Gegnern geht es bei der Thematik des Lagerstättenwassers und den unseligen amerikanischen Erfahrungen mit der aktuellen Verschmutzung von Böden und Wasser um die Welt unserer Kinder. Es geht um unser Trinkwasser. Aber wir sehen: sogar dieses unschuldige Lebens-Mittel ist nicht unpolitisch.

 

(1) http://www.erdgassuche-in-deutschland.de/dialog/offener_brief_ueber_fracking_reden/index.html

(2) http://rt.com/usa/fracking-toxic-water-damage-735/

(3) https://www.youtube.com/watch?v=z10kdwWJxQQ

(4) http://www.deutschlandfunk.de/fracking-wie-unabhaengig-sind-die-gutachter.697.de.html?dram:article_id=299221

(5) http://www.science-skeptical.de/category/blog/

(Ingo Engelmann)

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