Im Gegensatz zu einigen Firmen, mit deren Geheimniskrämerei wir in der Region zu tun haben, versucht sich Exxon ein anderes Image zu geben: kommunikativ, offen, innovativ. Das ist ungefähr so glaubhaft wie das Bild glücklicher Hühner auf der Eierpappe. Aber genauso wie bei den Hühnern funktioniert es auch bei Exxon (hofft die Werbeabteilung): ehe man dahinter kommt, dass das doch gar nicht stimmt, ist schon ein positiver Effekt verbucht. Die sorgfältig gestylten Broschüren von Exxon erweisen sich als pure Ideologie.
„Perspektive Erdgas. Chancen gemeinsam gestalten“ heißt eine 2013 erschienene, 20 Seiten starke Broschüre von Exxon. Ebenfalls in diesem Jahr die „Energieprognose 2013-2040“ (1) von Exxon Deutschland herausgekommen. Tenor der teilweise gleichlautenden Broschüren: Erdgas ist sicher und wirtschaftlich, es ist in großen Vorräten vorhanden und ist der ideale Partner der Energiewende und des Klimaschutzes.
Beim Lesen verursacht der „Exxon speak“ in Formulierungsweise und Ton eine Gänsehaut. Wenn einer der Chefs, Herr Stapelberg, von „Datenlücken“ spricht, die es zu schließen gilt, so muss man das umgekehrt lesen: es wurde bisher bei Exxon-Gasförderungen fast nichts dokumentiert, man weiß über viele Themen kaum etwas, und muss nun die riesigen Bereiche der Unwissenheit zwischen den punktuell vorhandenen Erfahrungswerten irgendwie überbrücken. „Aktuell entwickeln wir ein Grundwasser-Monitoring-Programm vor“, und „investieren außerdem in Forschung zu Themen wie Rissausbreitung, Erfassung von diffusem Methan und Lagerstättenwasseraufbereitung“ (1, S.13). Na, da kommt Freude auf: Nach neunzig Jahren Erdölförderung in Niedersachsen und mehreren Jahrzehnten Erdgasförderung wendet sich Exxon den Fragen zu, die vor Beginn dieser Förderung hätten geklärt sein sollen??!!
Man spricht über scheinbar harmlose Techniken: im Frack-Fluid sind 95-99% Wasser und Sand. Das steht überall, weil das unverdächtig klingt. Der Leser kann aber selbst nachrechnen: 1-5% Chemie, das sind bei durchschnittlich 15.000 m³ Wasser pro Frack 150 bis 750 Tonnen Chemie (1 m³ Wasser = 1 Tonne). Für die Chemie eines Frackvorgangs benötigt man also 5 bis 15 Tanklastzüge, voll mit z.T. krebserregenden und umweltgefährdenden Stoffen.
Exxon stellt Behauptungen ins Land, die von der Fachwelt nicht geteilt werden – die aber den eigenen Geschäften nützen. Erdgas wird laut Exxon bis 2040 seine Spitzenposition für den deutschen Energieverbrauch ausbauen. Die Internationalen Energie-Agentur IEA (traditionell eher in der Kritik wegen ihrer Ölkonzernfreundlichkeit) rechnet mit deutlich geringeren Anteilen (ungefähr halb so hoch). Andere Institutionen sagen noch geringere Anteile des Erdgases an der Versorgung voraus.
Exxon behauptet, Erdgas sei „für sehr lange Zeit ausreichend verfügbar“. Ein paar Zeilen später heißt es, „dass die meisten der großen konventionellen Lagerstätten in Westeuropa ihr Produktionsmaximum erreicht oder sogar überschritten haben“ (1, S. 5). Auf gut deutsch: es geht nicht weiter wie bisher, weil das Förderverfahren konventioneller Art nicht mehr viel einbringt. Wir brauchen die unkonventionellen Vorräte, um das Level zu halten. Entgegen allen Vorhersagen der Industrie zeigt sich in den USA, dass die unkonventionellen Lagerstätten viel schneller erschöpft sind als gedacht, man kriegt nur ein paar Jahre vernünftig was raus aus der Erde, während das früher („konventionell“) jahrzehntelang funktionierte. Man muss künftig also immer häufiger neu bohren, damit die geförderte Menge einigermaßen stabil bleibt. Konventionell, unkonventionell – wer unterscheidet das schon? Exxon jedenfalls vermischt es, wie es ihr passt.
Exxon setzt auf die Strategie der ständigen Wiederholung. Die gleichen widerlegten Behauptungen werden immer wiederholt, so dass irgendwann der Eindruck entsteht, das sei die Realität. Exxon betont immer wieder die niedrigen Kosten des Erdgases und verweist auf die billige Gasversorgung in den USA. In seiner jüngsten Stellungnahme weist der Sachverständigenrat für Umwelt (SRU) beim Umweltministerium des Bundes darauf hin, dass die Kostenstruktur in den USA zum einen mittelfristig nicht so erhalten bleiben wird (wenn z.B. die „big player“ die kleinen Firmen u.a. durch ruinösen Preiskampf aus dem Markt gedrängt haben, werden die Preise steigen). Außerdem hänge das europäische Preisniveau von anderen Faktoren ab als das amerikanische (3). Der SRU schlussfolgert, dass kein gesellschaftliches Interesse an Gasgewinnung durch Fracking bestehe, sondern lediglich ein privatwirtschaftliches einzelner Firmen.
In einer kritischen Durchsicht zählt der „AK Fracking im Braunschweiger Land“ (4) verschiedene Punkte auf, die in der Energieprognose von Exxon falsch sind. Die IEA hat die ehemals optimistischen Schätzungen, wie viel Gas in den USA verfügbar sei, deutlich heruntergeschraubt. Der SRU gibt an, die amerikanischen Voraussagen für die Vorräte in Polen seien in den letzten zehn Jahren auf weniger als ein Zehntel er ursprünglich angenommenen Mengen korrigiert worden. Exxon bleibt dabei: Wir haben mehr Erdgas, als wir brauchen. Na, mal sehen. Unabhängige Wissenschaftler prognostizieren in den USA, dass 2016-2018 dort das Fördermaximum erreicht sei. Es wächst das Risiko, dass wie die Immobilienblase in den USA eine Erdgas-Blase platzt, die die Finanzmärkte erschüttern könnte.
Der „AK Fracking“ korrigiert die Exxon-Angabe, Schiefergas in Niedersachsen sei in 1000 bis 2500 Meter Tiefe zu finden. Laut Kartenmaterial des Landesbergamtes LBEG liegt Schiefergas in großen Teilen Niedersachsens aber in z.T. nur 400 Meter Tiefe. Da ist das Trinkwasser nicht weit…
Außerdem weist der AK darauf hin, dass Exxon einen falschen Eindruck zu erwecken versucht: unter „günstigen Bedingungen“ könne man jahrzehntelang an einer Bohrstelle Gas fördern. Das war einmal – es galt für bestimmte konventionelle Lagerstätten. Die Erfahrungen aus den USA zeigen, dass unkonventionelle Erdgasvorräte meist nach wenigen Jahren schon erschöpft sind. Dann muss man neue Bohrungen runterbringen, um das Niveau der Gasförderung aufrecht zu erhalten. In Völkersen oder Groningen fördert man schon jahrzehntelang, aber das ist Schnee (oder Gas) von gestern. Was davon bleibt ist, dass die Erde immer wieder bebt.
Die internationale Vereinigung Ren21, in der unabhängige Wissenschaftler und Umweltaktivisten vertreten sind wie auch Regierungen und Organisationen wie Weltbank und UNO, weist in ihrem „Renewableas – Global Futures Report 2013“ (2) darauf hin, dass bei den Kostenvergleichen in aller Regel die Umweltkosten nicht eingerechnet sind. Außerdem stellt Ren21 die Exxon-Position vom Kopf auf die Füße, wonach die erneuerbaren Energieträger ungerechterweise hoch subventioniert werden und dadurch einen ungerechtfertigten Marktvorteil genießen. Tatsächlich liegt die Summe der Subventionen für die fossilen Energieträger weltweit bei 520 Milliarden Dollar, während die erneuerbaren Energien mit 90 Milliarden subventioniert werden. Kohle, Öl und Gas erhalten also sechsmal so viele Steuergelder wie die Erneuerbaren. Exxon ist mit seiner Voraussage, 2030 seien bis auf onshore-Windkraft alle anderen neuen Energieträger teurer als fossile Energien wie Erdgas, weltweit in einer Minderheitenposition (2, p.11 Box1).
Zusammenfassend ergibt sich das Bild, das die Exxon-Argumentation ausschließlich eigenen Interessen dient, dass sie die Öffentlichkeit hinters Licht führt, tarnt und täuscht, und dass die hier vertretenen Positionen veraltet sind und der Entwicklung hin zu erneuerbaren Energien in den letzten zehn Jahren nicht folgen können. Die Spitze von Exxon erweist sich als fossil. Ihre Beweglichkeit geht gegen null – sie wirken wie versteinert. Aber das ist bei Fossilien ja häufig der Fall.
(1) – „Perspektive Erdgas. Chancen gemeinsam gestalten“. ExxonMobil 2013
– „Energieprognose 2013-2040“ ExxonMobil Central Europe Holding 2013
(2) Renewables Global Futures Report. Ren21 2013 (http://www.ren21.net/Portals/0/REN21_GFR_2013_print.pdf
(3) Fracking zur Schiefergasgewinnung. Sachverständigenrat für Umweltfragen (2013) (http://www.umweltrat.de/SharedDocs/Downloads/DE/04_Stellungnahmen/2012_2016/2013_05_AS_18_Fracking.pdf?__blob=publicationFile
(4) Bewertung und Kommentierung der „Energieprognose Deutschland 2013-2040“ von ExxonMobil. AK Fracking Braunschweiger Land (2013) http://ak-fracking.de/wiki/Hauptseite
Fotos (2) Engelmann: Exxon Söhlingen / Erdölmuseum Wietze
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