Fracking: Neues aus der (Bundes-) Anstalt

Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe BGR hat am 16. Januar 2016 eine Studie herausgegeben, in der die Risiken des Fracking für die Umwelt betrachtet werden sollen. Zunächst hat die BGR die angenommenen und die voraussichtlich förderbaren Mengen an Erdgas und Erdöl in Deutschland geschätzt. Danach hat sie das beleuchtet, was aus ihrer Sicht die drei Hauptaspekte der Umweltgefahr durch Fracking sein könnten: Ausbreitung der Fracking-Chemie unter der Erde, künstlich hervorgerufene Erdbeben, Ausbreitung der durch Fracking hervorgerufenen Risse.

Die BGR ist Teil des Wirtschaftsministeriums und versteht sich als Traditionswahrer dieses Ressorts: als wissenschaftlicher Flankenschutz für die wirtschaftliche und vor allem industrielle Nutzung der Umwelt. Daran ändert es nichts, dass der Chef, Prof. Kümpel, versichert: „…die Arbeiten der BGR sind für Sie – und sie dienen Ihrem Wohl“ (1). Ich glaube, damit meint er uns, die Bürger. Aber es überrascht nicht, dass die Studie sich im Wesentlichen liest wie das Plädoyer eines Verteidigers, zu dessen Selbstverständnis es nicht gehört, belastende Aspekte aufzusuchen.

Lesenswert…

Mit diesen Einschränkungen ist es dem Autorenteam unter Leitung von S. Ladage gelungen, eine in manchen Passagen auch sehr lesenswerte und interessante Zusammenstellung zu liefern. Die geologischen Ausgangsbedingungen fürt die Entstehung von Gas- und Öllagern in Deutschland werden skizziert und die wahrscheinlichsten Fundstellen präsentiert. Im nördlichen Niedersachsen und dem Kreis Harburg ist stellenweise der Posidonienschiefer potenzieller Öl-Lieferant, besonders im Grenz- und Übergangsbereich zu Hamburg (Vierlanden) und Schleswig-Holstein (Ostholsteintrog). Es handelt sich bei uns um die schon früher ausgebeuteten Felder in Meckelfeld und Stelle, in denen auch aktuell Engie (vormals GdF Suez) noch Öl fördert. Kimmeridge hätte den Bereich um die Gemeinde Stelle zu gern in seinem Aufsuchungsfeld Oldendorf gehabt, es blieb aber ausgespart. Weiter südlich, im weiteren Verlauf des Aufsuchungsfeldes Oldendorf, verzeichnen die Karten der BGR keine nennenswerten Posidonien-Schieferölpotenziale.

Das könnte die Bevölkerung im Kreis Harburg etwas beruhigen, denn die Studie der BGR macht an mehreren Stellen überdeutlich, dass die Schieferölpotenziale auf alle Fälle in die Beschreibung der Vorräte einbezogen werden sollen. Dafür wird sogar extra die berücksichtigte Bodentiefe erweitert. Nicht nur zwischen 1000 und 5000 Meter soll geguckt werden (das wären die Bereiche, wovor allem Gas erwartet werden kann), sondern auch zwischen 500 und 1000 Meter (da geht es eigentlich ausschließlich um Öl). Der Nachdruck, mit der jetzt auch Schieferöl in die Diskussion eingebracht wird, fällt auf und macht stutzig. In den Berliner Gesetzentwürfen zur Fracking-Novellierung ist immer wieder nur von Gas die Rede. Das soll künftig wohl anders sein. Kimmeridge (eine Firma, die sich auf Öl fokussiert) scheint ganze Lobby-Arbeit geleistet zu haben. Aber, wie gesagt, im Kreis Harburg findet man kaum Schierferöl-Potenziale, sondern eher Ölvorräte, die aus dem bituminösen Muttergestein des Posidonienschiefers nach oben ausgewandert sind und entsprechend höher liegen, oft weniger als tausend Meter tief. Die eiszeitlichen Rinnen, aus denen unser Trinkwasser stammt, sind z.T. bis 400 tief (oder sogar noch tiefer) . Da nähern sich „feindliche“ Gebiete an…

…und fragwürdig

Die in den verschiedenen Regionen und Bodentiefen von der BGR vermuteten Potenziale werden addiert und zu Gesamtschätzungen zusammengefasst. Die Gasvorräte werden deutlich größer eingeschätzt als die Ölvorräte, das war klar. Aber gerade beim Gas ist interessant, das die vermuteten Vorräte deulicher geringer ausfallen als bei der letzten Schätzung 2012.

Damit folgen die Voraussagen der BGR dem allgemeinen Trend: Die ersten Berechnungen sind von Euphorie und Aufbruchsstimmung der Wirtschaft und der befreundeten Administration geprägt, entsprechend hoch fielen sie aus. Danach gehen die Berechnungen immer weiter runter, zum Teil auf weniger als ein Zehntel von dem, was ursprünglich erwartet worden war. Das war in Polen so, in den USA und nun auch bei uns (wobei die Schätzungen allerdings weniger gravierend sinken). Dabei sind aber bei den Schätzungen der BGR auch nicht die Begrenzungen berücksichtigt, die sich durch Wasserschutz, Siedlungswesen, Naturschutz usw. für die förderbaren Mengen ergeben – längst nicht überall, wo Öl und Gas vermutet werden, darf gebohrt werden. Darauf weist die Bügerinitiativ-Plattform „gegen gasbohren“ hin (2).

Die Menge der erwarteten und förderbaren Ölvorräte liegen in einer Größenordnung, die Deutschland in einem Jahr verbraucht. Das ist ein Klacks. Die bundesweit in Kavernen gespeicherte Ölreserve für Krisenfälle ist nicht viel geringer… Zudem betont die Studie der BGR, dass die vermuteten Vorräte nicht zeitnah verfügbar sind, sondern erst im Verlauf der nächsten Jahre und Jahrzehnte erschlossen werden können. Trotzdem wird behauptet, sie seien als „Brückenenergie“ im Prozess der Energiewende nutzbar. Das ist angesichts der Zeitplanungen (nicht zuletzt im Zusammenhang mit Klimawandel, Energiewende und der Pariser Konferenz im Dezember 2015) unsinnig. Das käme alles viel zu spät. Öl und Gas sind Auslaufmodelle. Die BGR will das nicht verstehen – oder nicht zugeben.

Und die Gefahren?

In der Betrachtung der drei Umweltrisiken (Bodenvergiftung, Rissausbreitung, Erdbeben) wird die Darstellung immer spezieller und für den Normalleser sicher unübersichtlich. Immer wieder tauchen die berüchtigten Monte-Carlo-Simulationen auf, die an Zocker-Strategien erinnern. Tatsächlich handelt es sich dabei um sehr weit ausgearbeitete Schätzverfahren, die computergestützt Wahrscheinlichkeiten und Annahmen so kombinieren, dass daraus Modellvoraussagen für die Wirklichkeit werden. Es bleibt aber dabei: Es handelt sich um Modelle. Die Berechnungen sind basal abhängig von dem, was eingegeben wird. Annahmen und Schätzungen bilden die Ausgangslage, und je nachdem wie sie ausfallen, werden auch die Ergebnisse mehr in die oder mehr in die Richtung gehen.

Daher sind die Berechnungen der Wege, die durch Frack-Flüssigkeiten genommen werden können, sowie die damit verknüpften Rissbildungen durch Fracking, mit großer Vorsicht zu genießen. Zumal immer der Bewertungsmaßstab entscheidend ist: Was halte ich für riskant, was ist tolerabel? Ein Beispiel: Beruhigend weist die Studie darauf hin (S.97), dass im großen US-Gasfeld Marcellus Shale die Rate der leckenden Bohrverrohrungen nur bei 2-7% gelegen habe (nebenbei: es gibt da auch andere Schätzungen, die diesen Anteil deutlich höher ansetzen). Bei 4000 Fracks in der Region habe die Quote der Grundwasserbeeinträchtigungennur“ bei 0,1 bis 1% gelegen. Das sind also vier bis vierzig Fälle, in denen das Grundwasser vergiftet worden ist, nur in diesem Feld. Ganz ehrlich: Uns reicht eine solche Zahl schon lange, um Zeter und Mordio zu schreien und weiteren Frack-Ansinnen entgegen zu treten. Es beruhigt überhaupt nicht, wenn die BGR in ihrer Studie angibt, „nur“ ein technischer Fehler könne zu Gefährdungen führen (und das soll wohl beschwichtigend klingen). Genau das ist aber die Befürchtung der Bevölkerung: Technische Fehler gefährden unser Wasser. Die BGR kann die Befürchtungen da nicht mindern.

Die Berechnungen der BGR beschäftigen sich zu einem bedeutsamen Teil mit Fragestellungen, die für uns nicht von vorrangigem Interesse sind. Es geht da über zwanzig Seiten hinweg um die Frage, ob die Fracking-Vorgänge zu Erdbeben führen (was die Studie verneint). Das wundert uns nicht, denn das Landesbergamt kam schon vor zwei Jahren zu diesem Schluss. Die real vorhandenen Erdbewegungen sind hier derzeit natürlich nicht mit dem ausgesetzten Fracking verknüpft, aber auch grundsätzlich gehen wir davon aus: Versenkung von Unmengen an Lagerstättenwasser sowie die Unruhe unter der Erde durch Entnahme von Gas und Öl haben wesentlichen Anteil an den Erdstößen. Das Beispiel der Region Groningen in den Niederlanden zeigt das. Es wird den Häuslebauer in Rotenburg nicht sonderlich beschäftigen, ob die Risse in seinem Haus von eigentlichen Fracking-Vorgang stammen oder von der Versenkung von Lagerstättenwasser, oder durch Gasentnahme ausgelöst sind – es ist der gesamte Prozess der Gewinnung von Gas und Öl, der schädlich ist. Tausende von Erdstößen in Oklahoma zeigen jedes Jahr, bis wohin das führen kann, wenn kein Maß und keine Grenze gefunden und respektiert wird.

Nicht zuletzt spart die Studie alle Gefährdungen aus, die sich über den reinen Fracking-Prozess hinaus ergeben. Die Entsorgung des Lagerstättenwassers wie anderer hochsalziger Abwässer beispielsweise bleibt so völlig außen vor. Unabhängige Wissenschaftler der Wasserchemischen Gesellschaft (einer Fachgruppe der Deutschen Gesellschaft für Chemie) haben unter anderem auf diese Problematik schon vor einem Jahr hingewiesen (3).

Fazit

Zusammenfassend lässt sich sagen: Die BGR hat sich große Mühe gegeben. Sie hat alles aufgefahren, was die Geowissenschaften zu bieten haben. Es zeit sich aber, dass das Konfliktfeld der Gas- und Ölförderung kein primär geologisches Problem ist. Es ist ein industrielles und ökonomisches Problem. Das hat etwas mit dem Widerspruch zwischen Rendite und Umwelt oder Lebensqualität zu tun. Deshalb erwarten wir von der BGR auch keine sachdienlichen Hilfen.

Über die Studie hinaus wird erneut deutlich, dass die Bevölkerung von der Firma Kimmeridge nun endlich aufgeklärt werden muss: Was suchen die eigentlich? Schieferöl, mit Fracking, oder Öl aus anderen Bodenschichten? Wo wollen sie anfangen? Sind die seismischen Untersuchungen mittlerweile aufgegeben (z.B. weil sie sich durch neue Computersimulationen ersetzen lassen)? Wir haben ein Recht zu erfahren was mit unserer Umwelt passieren soll. Weitere Geheimniskrämerei wollen wir nicht hinnehmen.

  1. http://www.bgr.bund.de/DE/Gemeinsames/UeberUns/Resource/resource_node.html

  2. http://www.gegen-gasbohren.de/2016/01/19/die-bgr-nimmt-voellig-ueberzogenen-schiefergasschaetzungen-von-2012-endlich-offiziell-zurueck-ueberarbeitung-der-studie-foerderbarer-kohlenwasserstoffe-wird-dreist-zur-propaganda-pro-fracking-benutz/

  3. Wasserchemische Gesellschaft (2015): Stellungnahme zum Gesetzentwurf zum Fracking, in: Vom Wasser 113 (2015) 1, S. 31-32

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