Die Aufsuchungsanträge der Firma Blue Mountain Exploration (BME) für das Feld Oldendorf liegen der BI „Kein Fracking in der Heide“ nach neunmonatiger Wartezeit nun endlich vor. Der Antrag auf Einsichtnahme wurde am 21. Juni letzten Jahres gestellt, nach einigen Finten der Firma Blue Mountain Exploration („…wir bieten Ihnen ein Gespräch an, wenn Sie im Gegenzug auf die Einsichtnahme verzichten…“) wurde unserem Antrag beim LBEG im November zugestimmt, aber BME legte Widerspruch ein. Da alles geheim sei, wollten sie nur geschwärzte Seiten freigeben. Das LBEG bestand darauf, dass ein bisschen was veröffentlicht werden muss. Nun liegt das Ergebnis vor: drei Textseiten sind lesbar, anderthalbzeilig, breiter Rand, aussageneutral, nur allgemeine Hinweise zum Arbeitsprogramm, dieses ist ansonsten geschwärzt.
Wir wissen also nicht mehr als vor einem halben Jahr. Kimmeridge (1) sucht nach Öl, nicht nach Gas. Das wird auch deutlich, wenn man die Aufsätze zum Download auf deren Internetseite studiert und die geologischen Strukturen in den Feldern Oldendorf und Lüneburg anschaut: unter beiden Feldern zieht sich eine Spange aus Posidonienschiefer entlang, und in dem sucht Kimmeridge nach Öl. Was also hat das Unternehmen nun noch zu verbergen auf den geschwärzten Textseiten? Was ist so sehr geheim? Die BI könnte bis zum 14.4.14 Widerspruch gegen die Des-Information einlegen. Wir prüfen, ob das lohnen würde.
Kurz nach der BME-Anfrage der BI im Juni stellte dann die Blue-Mountain-Schwester Kimmeridge GmbH insgeheim den Antrag, die Aufsuchungserlaubnis zu übernehmen. Das war aber schon vorher in Insider-Kreisen bekannt: bereits im Mai 2013 hatte HamburgWasser auf seine Homepage darauf hingewiesen, dass BME künftig Kimmeridge GmbH sei. Diese vorsichtigen Hinweise blieben allerdings so verschwommen, dass die BI darauf keine Identifizierung von Blue Mountain aufbauen konnte.
Nun also Kimmeridge, mit denselben Aufsuchungsanträgen wie bisher, die übernehmen alles nahtlos. Auch den Chef teilen sie sich: Herr McMahon ist Chef der BME und CEO von Kimmeridge. So sind es wahrscheinlich eh schon immer eben dieselben Menschen gewesen, die mal BME spielten und mal Kimmeridge darstellten. So ist das halt in der Wirtschaftswelt. Dort findet man so etwas normal.
Die Wurzeln des Geldes
Was finden die sonst noch normal? Im Fall Kimmeridge kann man konkret nachlesen, was das für eine Firma ist, wo sie herkommt und wo sie hin will. Die Firma wurde 2012 gegründet als Tochter der AllianceBernstein. Diese weltweit agierende Fondsgesellschaft wiederum hat zwei Wurzeln: Die Alliance Capital Management Holding (ACMC) und das Unternehmen Sanford C. Bernstein. Hier wurden traditionell seit den sechziger Jahren quantitative Bewertungen und Prognosen wirtschaftlicher Bewegungen versucht, um wirtschaftliche Prozesse berechenbar zu machen. Die AXA-Tochter ACMC wiederum ist eine typische Investment-Firma, die Geld einsammelt und möglichst renditeträchtig einsetzt. Noch 2006 galt die aus dem Zusammenschluss dieser Firmen entstandene Alliance Bernstein als vertrauenswürdigste Gesellschaft der USA, wie die Listenführer von Forbes angaben. Zwar hatte ACMC im Jahr 2003 wegen unkorrekten Umgang mit Warentermingeschäften (market timing practices) eine Strafe von 250 Millionen Dollar akzeptiert. Es gab auch mal einen 12-Millionen-Dollar-Schadenseratz der Firma AllianceBernstein für einen Broker (3). Und jüngst konnte der Chef von Kimmeridge Capital seine Stelle erst etwas verspätet antreten, weil er noch seine alte Firma Diamondback abwickeln musste, nachdem sie 9 Millionen Dollar wegen Insider-Handels zu zahlen hatte. Aber vielleicht ist das in diesen Kreisen alles ganz normal. Strafzahlungen und Vergleiche erreichen in den USA heute ja schon zweistellige Milliardenbeträge (wie jüngst bei der Bank of America oder JPMorgan, die jeweils Milliarden für die Folgen der von ihnen mit angeheizten Finanzkrise zahlen (2)). Da ist AllianceBernstein diesbezüglich also vielleicht ein eher kleines Licht?
Vor Jahren hat AB jedenfalls schon mal versucht, am großen Rad mit zu drehen. AB war größter Anteilseigner bei der Lehmann Brothers Bank, deren Pleite im Jahr 2008 die gesamte Weltwirtschaft ins Trudeln brachte (4). Auch bei Freddy Mac und Fanny Mae, diesen nach Entenhausen klingenden Hypotheken- und Immobilienbanken, die damals im Zentrum der Katastrophe standen, war AB groß im Geschäft. Das ging dann ziemlich zurück, stabilisierte sich auf niedrigerem Niveau. Nun stellen wir fest, dass wir einige der ganz kleinen Tentakeln dieser vom Fleisch gefallenen Krake vor unserer Haustür haben.
Kimmeridge, Öl, alte und neue Fracs
Kimmeridge, diese kleine Tentakel, fokussiert auf eine Nische: die zum Teil schon ausgebeuteten Ölvorräte im Sandstein. Man könne ausrechnen, wieviel fossile Energieträger aus den pflanzlichen Überresten der Vorzeit entstanden sein müssten. Davon gehen fast die Hälfte im Laufe der Jahrmillionen durch Spalten, Erdbeben und andere Vorgänge an die Oberfläche, zersetzen sich, entweichen, sind weg. Der Rest bleibe unten, und nur um die zehn Prozent davon sind in der Regel durch die traditionellen Fördermethoden nach oben gebracht worden. Es lohne sich, mit den neuen Technologien hier weiter zu fördern – und man müsse gar nicht lange suchen, immer da, wo schon mal gebohrt und gefördert wurde, liege noch was herum. Und hier liegt auch das Interesse von Kimmeridge.
Wenn man an die Vorräte, die mit herkömmlichen Bohrtechniken nicht gefördert werden konnten, jetzt rankommen will, muss man nachhelfen. Und zwar mehr und anders als in den zurückliegenden Jahrzehnten. Der Hinweis, es sei ja schon hunderte von Malen gefrackt worden, geht von daher vollkommen ins Leere: erst jetzt wird richtig in die Hände gespuckt, weil man an den Rest heran will. Die neue Fracking-Generation ist aufwändiger und unberechenbarer. Der Druck, der eingebracht wird, ist höher und die Stoffe sind neu zu entwickeln: zum Beispiel reicht der Quarzsand, der früher eingebracht wurde, um die aufgebrochenen Spalten offen zu halten, nicht aus, um das Gestein für Öl durchlässig zu machen. Man braucht neue „proppants“, mit größerem Durchmesser des einzelnen Stäubchens, und die müssen aus Kunststoff mühsam hergestellt werden. Dazu noch tonnenweise Guarkernmehl, um das Wasser zu gelieren, und so entstehen immer höhere Kosten: die neue Technologie wird extrem teuer. Daher muss die Produktion schnell beginnen und auf hohem Niveau gehalten werden, und das geht nur mit einer sich schnell erhöhenden Zahl immer neuer Bohrstellen. Bei Erdgas sind es noch mehr Brunnen, die gebohrt werden müssen, aber auch bei tight oil sind wir mit hunderten, eher tausenden von Brunnen in einem Aufsuchungsgebiet dabei. In den USA kann man beobachten, was passiert, wenn diese Brunnen plötzlich von verschwundenen Firmen wüst hinterlassen werden (5). War das Verschwinden von Blue Mountain Exploration eine Übung?
Minister üben Rolle rückwärts
Früher galt tight gas und oil (ebenso wie Schiefergas) als Energieträger aus unkonventionellen Lagerstätten. Jetzt haben die niedersächsischen Minister für Umwelt und Wirtschaft, Wenzel und Lies, die Katze in einer gemeinsamen Presseerklärung aus dem Sack gelassen. Die sowohl von Kimmeridge als auch von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffkunde GBR auf den jeweiligen Homepages benutzten Begriffe „konventionelle“ bzw. „unkonventionelle Lagerstätten“, werden nun auf niedersächsisch platt übersetzt. Unkonventionell bleibt nur, was es in Niedersachsen nicht in so großem Umfang gibt: Schiefergas und –öl, da darf künftig nicht gefrackt werden. Die bei uns vielfach vorfindlichen tight gas und oil-Lager wechseln auf wundersame Art in die Gruppe der konventionellen Lager, und dort darf gefrackt werden – unter Einschränkungen, die aber windelweich formuliert sind und auf deren Berücksichtigung man als Aktivist mit schlechten Behörden- und Politikerfahrungen wenig geben dürfte. Eine umfassende Prüfung „könnte andererseits zur Untersagung führen, wenn Umweltgefahren nicht ausgeschlossen werden“ – unverbindlicher kann man es nicht sagen als die beiden Minister in ihrer Erklärung (7). Die Entwicklung der Regelungen zu Umweltverträglichkeitsprüfungen hat schon zu schweren Zerwürfnissen zwischen Ministerien und BIs geführt, diese haben weitere Gespräche zur Zeit als sinnlos abgebrochen, weil die Ministerien nicht wirklich bereit waren sich zu bewegen. Als Staffage lassen sich BIs nicht missbrauchen. Viele sagen: Unzureichende UVPs sind besser als gar keine UVPs, aber sie sind keine Lösung. Die versprochene Reinigung von flow back (dem fracking-Cocktail) ist rührend – immerhin kommen nur zwischen zehn und dreißig Prozent der Brühe wieder an die Oberfläche, der Rest wandert unten herum. Über den genauen Prozentsatz streiten die Gelehrten. Das was oben wieder rauskommt und ursprünglich nicht in die Erde gehörte, das soll getrennt entsorgt werden. Das Lagerstättenwasser aber wird weiterhin wieder unter die Erde verpresst, obwohl keine weiß, wie es sich unter geänderten Druckverhältnissen und in Kontakt mit frac fluid verändert und beispielsweise neuer Verbindungen eingeht. Das kann man als Minister vielleicht nicht alles wissen. Aber man sollte nicht so schlecht beraten sein.
Fazit dieses Frühlingsanfangs: Auch eine Reise von tausend Meilen beginnt mit dem ersten Schritt. Die Anti-Fracking-Tour 2014 hat begonnen. Aber wer uns weismachen will, jetzt seien wir auch schon gleich angekommen, der unterschätzt uns Bürger. Und wenn nebenan zwei Minister beim ersten Schritt schon mal gleich die Rolle rückwärts proben, werden wir erst recht misstrauisch.
(1) Mit „Kimmeridge“ werden hier die Firmen bezeichnet, die unter dem Dach von AllianceBernstein miteinander verbandelt sind: Kimmeridge GmbH, Kimmeridge Energy Management, Kimmeridge Energy Fund usw.
(2) http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/unternehmen/strafe-banken-zahlen-in-usa-hundert-milliarden-12864735.html
(3)http://www.deutscheanlegerstiftung.de/index.php?id=238&tx_ttnews[tt_news]=668&tx_ttnews[backPid]=196&cHash=e889a64fc2
(4) http://www.answers.com/topic/alliancebernstein-l-p
(5) http://climatecrocks.com/2014/01/04/fracking-wells-abandoned-in-boombust-cycle-who-will-pay-to-cap-them/
(6) http://www.bgr.bund.de/DE/Themen/Energie/Projekte/laufend/NIKO/FAQ/faq_inhalt.html
(7) http://www.umwelt.niedersachsen.de/aktuelles/pressemitteilungen/wirtschaftsminister-lies-und-umweltminister-wenzel-niedersachsen-fuer-erdgasfoerderung-mit-strengen-auflagen-und-gegen-fracking-mit-umweltschaedlichen-chemikalien-122541.html
Weitere links:
http://www.fins.com/Finance/Companies/6/AllianceBernstein-Holding-LP
http://www.axa.com/en/news/2007/A8A89Gi89p6h5CWbqnel.aspx
Die Landesregierung hat als Anreiz für die Erdöl- und Erdgasindustrie und zur Aktivierung neuer Reserven die Reduzierung der Förderabgabe für die Tight-Gas-Produktion in der Niedersächsischen Förderabgabe-Verordnung (NFördAVO) festgeschrieben http://www.mw.niedersachsen.de/portal/live.php?navigation_id=5590&article_id=15105&_psmand=18
(ie)
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