Geheimpolitik des LBEG behindert Klärung von Bergschäden

Risse im Haus? Die Bürger können sich im Falle von Schäden durch Erdölbohrungen nicht wehren, wenn das Landesbergamt weiterhin wie ein Geheimbund agiert. Der Wirtschaftsminister und die Behörde müssen dringend für eine offene und transparente Unterrichtung der Öffentlichkeit sorgen, sonst bleiben Beweislastumkehr und Bergschadensvermutung stumpfe Schwerter. Im Schadensfall steht der Bürger auf verlorenem Posten.

Zu dieser Erkenntnis kamen die über fünfzig Teilnehmer, die der Einladung der BI „Kein Fracking in der Heide“ zu einer Informationsveranstaltung in Seevetal gefolgt waren. Zunächst hatte Renate Maaß von der BI in Stichworten die Entwicklung der Ölbohrungen im Landkreis Harburg seit 1960 skizziert. Ob es dabei schon Gebäudeschäden gegeben hat – und ob diese sicher durch die Ölbohrungen ausgelöst wurden? Referent des Abends war Dipl.-Ing. Peter Immekus, Markscheider aus dem Rheinland, also Vermessungsingenieur mit Gutachter- und Sachverständigenaufgaben. Zu der Frage von Renate Maaß meinte er: Von Schäden muss man ausgehen, aber beweisen kann man es nur, wenn das Landesbergamt die Informationen über tektonische Störungen rausrückt, auf denen es seit Jahrzehnten sitzen dürfte. Er hatte schon typische Gebäudeschäden im Raum Seevetal in Augenschein genommen.

Niedersächsisches Landrecht: Niemand weiß etwas, und so soll es bleiben

Eine bürgerfreundliche Informationspolitik scheint in Niedersachsen nicht beabsichtigt zu sein. Andernorts ist es üblich (und eigentlich auch gesetzlich vorgesehen), dass alle durch Bergbau (Ölbohrungen gehören dazu) verursachten Bodenbewegungen dokumentiert werden. Nur so lässt sich einwandfrei feststellen, wann der Boden sich um mehr als nur wenige Zentimeter absenkt, wenn es am Rand des Senkungstrichters zu Abbrüchen oder Treppenbildung kommt und dann auch Gebäudeschäden ausgelöst werden können. Manchmal ist das mit Erdstößen verbunden, muss aber nicht sein. Es gibt also eine Menge Daten über tektonische Bruchlinien und Bodenbewegungen. Nur in Niedersachsen werden diese Daten unter Verschluss gehalten, beklagte der Referent des Abends. Diese Geheimbündelei gebe es nur in Niedersachsen, verblüffte er das Publikum.

Nur wenn eine derartige Dokumentation vorhanden und zugänglich wäre, könne im Schadensfall geprüft werden, ob eine Bergbautätigkeit dazu beigetragen haben kann. Nur auf dieser Grundlage kann ein Unternehmen dingfest gemacht werden, das dann für den Schaden aufkommen muss. In den traditionellen Bergbaugebieten z.B. in Nordrhein-Westfalen ist das seit langem übliche Praxis, die entsprechenden Datenbanken sind z.T. online zugänglich. Nur in Niedersachsen, so stellte Immekus fest, sind die Gas- und Ölfirmen durch Erlass des Bergamts von der Dokumentationspflicht befreit. So kommt es dann dazu, dass niemand in der Kreisverwaltung oder beim Land Niedersachsen eine Ausage darüber treffen kann, ob beispielsweise im Bereich der Ölkavernen in Sottorf schon Absenkungen der Oberfläche begonnen haben und wie sich diese entwickeln. Noch viel weniger hat sich irgendjemand mal darüber Gedanken gemacht, was geschehen wird, wenn die Nutzung als Erdölspeicher irgendwann ausläuft (z.B. weil Erdöl als Energieträger ein zehn, zwanzig ode dreißig Jahren ausgespielt hat). Dann sind erhebliche Absenkungen abzusehen. In anderen Regionen erwartet man in der Zukunft über Gaskavernen Absenkungen von zwei bis sechs Meter (z.B. Jemgum, Ostfriesland) . Dabei reichen schon einige Dezimeter, um Schäden an Gebäuden zu riskieren (wenn diese auf tektonischen Bruchlinien liegen). Bei uns fehlen leider alle Daten, um irgendwelche Prognosen abzugeben. Das kann schon zu Beunruhigung führen, fanden die Zuhörer.

Transparente Information ist im Interesse von Bürgern – besonders auch Hausbesitzern

Da stellen sich viele Anschlussfragen. Zum Beispiel kann heute niemand hier sicher sagen, ob von den Brückenschäden, unter denen die Region leidet, auch welche durch tektonische Bruchlinien und die darauf einwirkenden Ölförderungen ausgelöst sein könnten. Dann wäre nicht die öffentliche Hand gefordert, sondern die betreffende Förderfirma. Wüsste man doch schon gern, oder? Rund um die marode Decatur-Brücke gibt es Dutzende von Bohrstellen…

Der Referent vermutete, dass im Landesbergamt die Informationen über Verwerfungen flächendeckend für das ganze Land vorliegen. Denn die Firmen, die im Lande bohren wollen, haben ein ureigenes Interersse daran, diese Verwerfungen im Vorwege ausfindig zu machen: Wenn sie in eine tetonische Bruchlinie hineinbohren, riskieren sie des Brechen des Bohrgestänges und den Totalverlust der kostspieligen Ausrüstung. Die Firmen kennen also ihr Feld, und als ihrer Kontrollinstanz müssen sie dem LBEG diese Daten auch übermitteln. Sonst könnte es ja seine Aufsichtsfunktionen z.B. bezüglich drohender Havarien gar nicht wahrnehmen. Aber das Landesbergamt scheint immer noch an der Tradition als Wirtschaftsförderungsbehörde festzuhalten, statt auch die zeitgemäße Funktion einer Bürgerbehörde wahrzunehmen. Bergämter sind bei der Bevölkerung nirgends ausgesprochen populär. Aber so abgeschottet wie das LBEG in Hannover sind sie kaum irgendwoanders.

In den Bergbaugebieten, in denen die Schadensentwicklung akribisch dokumentiert wurde, stellen sich Firmen darauf ein, im Rahmen der sogenannten „Ewigkeitsaufgaben“ noch lange für eventuelle Schäden in Regress genommen zu werden, und bilden entsprechende Rücklagen. Die Gas- und Ölförderfirmen in Niedersachsen dürften das in Niedersachsen bisher nicht als Risiko eingeplant zu haben. Bei den Bohrschlammgruben aus den letzten fünfzig, sechzig Jahren wird erst nach und nach erkennbar, welchen Sanierungsbedarf es geben könnte. Bei Einwirkungen auf den Trinkwasserhaushalt könnten die erforderlichen Sanierungen noch erheblich teurer werden. Vorsorge tut not – auch in Form von Rückstellungen der Wirtschaft.

Dienstherr des LBEG ist Wirtschaftsminister Lies

Gegenüber dem Wirtschaftsminister hatte die BI bereits eine Woche zuvor einige Bedenken bezüglich der Ölförderung und der Kavernenspeicher zu Protokoll gegeben. Die Versammlung war sich einig, dass nun das Thema der öffentlichen Dokumentation auch in das Gespräch mit dem LBEG-Präsidenten Sikorski Eingang finden muss, das für den 16. März geplant ist. Dann kommt der Präsident nach Seevetal, um vor Ort einige der beklagten Mängel in Augenschein zu nehmen. Eingeladen wurde er von der örtlichen SPD-Bundestagsabgeordneten Svenja Stadler. Wie ihr Büro mitteilt, ist am selben Abend eine öffentliche Veranstaltung mit Herrn Sikorski geplant. Er wird sich vielen Fragen stellen müssen.

Seismologische Untersuchungen? Nein Danke!

Den meisten Anwesenden (vielleicht außer den schweigsamen anwesenden Mitarbeitern einschlägiger Firmen) war am Ende auch klar, dass die Ausweitung der Ölförderung im Landkreis Harburg nicht erwünscht ist. Wenn die neue Firma RDG Niedersachsen, die die Aufsuchungslizenzen der früheren Kimmeridge GmbH mittlerweile innehat, für seismische Untersuchungen Grundstücke betreten will, muss sie mit Ablehnung rechnen. Der Landkreis Harburg und die Gemeinde Stelle sollten sicherstellen, dass die seinerzeit für Kimmeridge ausgesprochenen Betretungsverbote öffentlicher Grundstücke auch für die RDG Niedersachsen gelten.

(Ingo Engelmann)

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