Immer wieder fragen Bürger, die uns gegen Fracking und Gasbohren unterstützen: „Aber es ist doch auch schon was erreicht worden – oder??“. Aktivisten hoffen, dass doch nicht alles umsonst war. Wichtig bleibt weiterhin, was verhindert werden soll – aber es lohnt auch mal einen Blick darauf zu tun, was heute besser ist oder sich anschickt besser zu werden als vor ein, zwei Jahren. Einige der im Folgenden aufgezählten Punkte stammen aus Planungen der niedersächsischen Landesregierung – auch darin zeichnen sich punktuell Verbesserungen ab. Die sollen nicht ganz übersehen werden, auch wenn die zentralen Forderungen gegen Gasbohren nicht erfüllt sind (und es nicht absehbar ist, ob sich das mal ändert). Und: Bisher sind es Planungen, Entwürfe, Anträge. Da muss erstmal Butter bei die Fische.
Schieferfracking soll verboten werden
Da ist zum einen das Verbot von Fracking in Schiefergestein. Am 27.5.2014 hat der niedersächsische Wirtschaftsminister das LBEG angewiesen, keine Anträge zu bearbeiten, die Frackingtechnologie in Schiefergestein umfassen. In den letzten Jahren hat die Fracking-Industrie stillgehalten, hätte aber jederzeit wieder anfangen können mit ihrem giftigen Handwerk. Niedersachsen sagt jetzt: das bleibt in dem harten Schiefergestein wegen unwägbarer Risiken untersagt, wir werden es verhindern. Das ist gut so, auch wenn es wegen der Beschränkung auf Schiefergestein halbherzig bleibt. Aber ein halbes Herz ist besser als gar keins, oder…?
UVPs schaffen vielleicht nicht viel – aber Öffentlichkeit schaffen sie!
Die Politik verkündet landauf, landab, wie wichtig die geplanten Umweltverträglichkeitsprüfungen (UVPs) für Gasbohr-Projekte und Lagerstättenwasser-Verpressung sind. Fracking (außer in Schiefergestein, weil da verboten) soll immer eine UVP erfordern. Wenn man mal alle Vorbehalte gegen die rechtlich wenig bindenden UVPs beiseite lässt: was gut daran ist, ist die Transparenz und die Information der Öffentlichkeit, die im UVP-Ablauf festgeschrieben ist. Die Bürger werden erfahren, welche Projekte geplant sind und welche Probleme das Projekt mit sich bringt. BIs können das transportieren und gegebenenfalls Widerstand aktivieren. Die im Öl- und Gasgeschäft engagierten Firmen zeigen immer, dass sie eines sehr fürchten: Öffentlichkeit – vor allem, wenn sie diese nicht selbst „organisieren“ und kontrollieren.
Außerdem bedeuten UVPs bürokratischen Aufwand und Unkosten für die Firmen. Diese werden auf bis 500.000 € pro Frack-Projekt geschätzt. Zu der Fracking-kritischen Haltung der Bevölkerung kommt damit eine weitere kleine Unannehmlichkeit auf die Fimen zu. Wenn sie das abschreckt, soll es uns recht sein.
Beweislastumkehr
Die Umkehrung der Beweislast soll nach dem Antrag der niedersächsischen Landesregierung im Bundesrat umgekehrt werden. Auch beim Öl- und Gasbohren soll die Bergschadensvermutung gelten, wie im übrigen Bergbau schon lange: dann muss nicht der Häuslebauer beweisen, dass die Risse vom Erdbeben nach Gasförderung stammen, sondern die Firma muss beweisen, dass sie damit nichts zu tun haben. Auch Kavernenlager sollen dieser Regelung unterliegen.
Wasserschutzgebiete
Es wird eindeutig festgehalten, dass Horizontalbohrungen unter Wasserschutzgebieten untersagt sind, wie Fracking in Schutzgebieten selbst. Bisher war das unklar geblieben. Klarheit ist besser. Auch dass es um alle drei Schutzzonen gehen soll, wurde klargestellt.
Flowback reinigen
Wenn es nach Niedersachsen geht, soll zumindest ein (kleiner) Teil der Giftbrühe, die beim Fördern aus der Erde kommt, gereinigt werden: der flowback aus dem Chemie-Cocktail, der zum Fracken in die Erde gepresst wird, muss oberirdisch gereinigt und entsorgt werden. Man darf auf die konkreten Ausführungsbestimmungen gespannt sein: wie soll denn das vom Lagerstättenwasser getrennt werden? Aber es ist ein kleiner Schritt, gegen den man nichts haben kann.
Landesbergamt fühlt sich beobachtet
Besser als vor einiger Zeit wird es auch in ganz kleinen Schritten beim Landesbergamt, in gaaanz kleinen Schritten. Das Bergamt lernt, dass es seine Messergebnisse der Öffentlichkeit zugänglich machen muss und nicht in den eigenen Festplattenspeichern versenken darf. Durch eigene Messungen haben BIs und BUND das LBEG in Bewegung gebracht, und es misst nun selbst oder lässt messen, was jahrelang unterblieben ist oder zu keinen Konsequenzen führte. Das Thema „Quecksilberbelastung“ wurde dem LBEG von BIs aufgezwungen. Auch in anderen Diskussionen stieg der Stellenwert der BIs, das Gütesiegel „BI-geprüft“ wird begehrter. Das führt zwar auch zu Missbrauch durch Firmen oder Politiker, aber es zeigt einen Mentalitätswandel. Die Öffentlichkeit ist für das Thema „Öl- und Gasförderung“ sensibilisiert. Allein im Kreis Harburg haben das 8000 Bürger durch ihre Unterschrift gegen Gasbohren bekräftigt.
Blue Mountain ist weg vom Fenster
Die Fantomfirma „Blue Mountain Exploration“ wurde vom Eigner AllianceBernstein zurückgezogen, dafür deren andere Tochter Kimmeridge ins Rennen geschickt. Prinzipiell macht das keinen großen Unterschied – aber die Frechheit, eine Firma vorzutäuschen, die dann noch wesentlich unkontrollierbarer sein (oder verschwinden) könnte, war doch eine arge Zumutung. Auch ein globaler Hedgefonds kann sich nicht alles leisten, so hört sich die Botschaft in unseren Ohren an.
Fazit:
Die Liste der unerfüllten Forderungen ist länger – und sie sind vielfach wichtiger für unser Trinkwasser. Dessen Schutz ist noch lange nicht gesichert. Und natürlich ist zu befürchten, dass die Politik nach ein, zwei kleinen Schritten in die richtige Richtung erschöpft zusammensinkt, erstmal die Schuhe auszieht und eine lange Pause einlegt. „Für einen langen Weg muss man langsam gehen“, weiß ein chinesisches Sprichwort. Let’s go on.
(Dieser Text ist eine Zwischenbilanz eines Aktivisten – keine Plattform der BIs, und natürlich wird es auch andere Meinungen geben. Diskussion dementsprechend erwünscht.
Ingo Engelmann)
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