Lagerstättenwasser: Hamburger Senat blamiert sich

Der Hamburger Senat hat die Anfrage des grünen Bürgerschaftsabgeordneten Kerstan zur Einpressbohrung und der Versenkung von Lagerstättenwasser im Harburger Wohngebiet Sinstorf „beantwortet“. So lautet jedenfalls die offizielle Bezeichnung für dieses skurrile Schriftstück, mit dem sich der Senat aus jeder Verantwortung und jedem Problembewusstsein rausredet. Eine wirkliche Antwort ist es aber in keiner Weise. So nimmt der Senat zur Beteiligung der (z.B. Hamburger) Behörden Stellung:

2. Welche Behörden, deren Aufgabenbereiche durch die beantragte Zulassung berührt waren, wurden gemäß § 54 Absatz 2 BBergG am Zulassungsverfahren beteiligt?
3. Liegt eine Stellungnahme der zuständigen Wasserbehörde zu dem genannten Verfahren vor?
„Nach Prüfung des eingereichten Betriebsplanantrages ist das damals zuständige Bergamt Celle zu dem Schluss gekommen, dass keine andere Behörde in ihrem Aufgabenbereich berührt war.“
Zur Erinnerung: in §54 des Bundesberggesetzes wird in Ziffer (2) festgelegt:
(2) Wird durch die in einem Betriebsplan vorgesehenen Maßnahmen der Aufgabenbereich anderer Behörden oder der Gemeinden als Planungsträger berührt, so sind diese vor der Zulassung des Betriebsplanes durch die zuständige Behörde zu beteiligen.
Die untere Wasserbehörde im Bezirk Harburg hat also wie viele andere Behördendienststellen seit zwanzig Jahren hingenommen, dass das damals zuständige Bergamt (heute Landesbergamt LBEG) das Berggesetz ignoriert und sie übergangen hat. Ich gehe davon aus, dass diese Behörden von der Versenkung wissen. Mitwisser sind genauso zur Rechenschaft zu ziehen wie die eigentlich Handelnden von der damaligen Celler Behörde. Diese ging auch wasserrechtlich großzügig vor:

5. Liegt für die Nutzung der Bohrung GH 2 als Einpressbohrung eine wasserrechtliche Erlaubnis vor?
Wenn ja: Unter welchen Inhalts- und Nebenbestimmungen im Sinne des § 13 WHG wurde die Erlaubnis erteilt?
Wenn nein: warum nicht?
„Nein, nach Prüfung der Antragsunterlagen durch das damals zuständige Bergamt Celle war eine wasserrechtliche Erlaubnis nicht erforderlich.“

Interessant auch die Nicht-Antwort zur Begrenzung der möglichen Versenk-Kapazitäten. Anderswo (z.B. Kreis Rotenburg) sind Höchstgrenzen für die Versenkung festgelegt. Dass diese in den zurückliegenden Jahren regelmäßig überschritten wurden, steht auf einem anderen Blatt. In Hamburg ist das sowieso anders: da ist die Höchstgrenze das, was die Firma braucht. Eine Grenze ist erst dann erreicht, wenn alles in der Erde verschwunden ist. Das nenne ich eine komfortable, firmenfreundliche Regelung:

4. a. Welche wesentlichen Nebenbestimmungen enthielt die Zulassung, insbesondere hinsichtlich maximal zulässigem Kopfdruck, zulässigem jährlichem Einpressvolumen und Geltungsdauer der Zulassung?
„Das Bergamt forderte in den Nebenbestimmungen mehrere Abnahmen durch Sachverständige, die die Umrüstung der Bohrung anbetrafen. Die Einpressmenge und der Einpressdruck werden elektronisch an die Messwarte übermittelt. Das jährliche Einpressvolumen ist durch das Volumen der Förderung an Nassöl (Erdöl und Lagerstättenwasser) begrenzt.“

Die tatsächlich nach Firmenangaben verpressten Mengen schwanken zwischen 96000 m³ (1997) und 10.000 m³ (2010) . Insgesamt wurden seit 1995 fast 1.000.000m³ Lagerstättenwasser unter Sinstorf verpresst. Was man da im Einzelnen reingedrückt hat, bleibt unbekannt: in bewundernswerter Herablassung weist der Senat darauf hin, dass da alles möglice drin sei („Vielzahl von Elementen des Periodensystems“) – aber genauer wollte das bisher keiner wissen, beim Senat nicht, beim LBEG nicht, und was die Betreiberfirma darüber weiß bleibt ein Geheimnis..
13. Wie sind die in GH 2 eingepressten Flüssigkeiten chemisch zusammengesetzt? (Bitte alle nach Chemikalienrecht als Schadstoff klassifizierten Substanzen – zum Beispiel Schwermetalle, Kohlenwasserstoffe, NORM (naturally occuring radioactive material), TENORM (technically enhanced naturally occuring radioactive material) – jeweils nach Masse und Konzentration aufführen.)
„Lagerstättenwasser besteht insbesondere aus Wasser, gelösten Salzen und Spuren von Kohlenwasserstoffen. Es lassen sich eine Vielzahl von Elementen des Periodensystems und Verbindungen nachweisen. Eine Lagerstättenwasseranalyse liegt dem LBEG nicht vor.“

Und folgerichtig bleibt der Senat auch völlig festlegungsfrei, wenn nach Schlussfolgerungen aus den spärlichen Fakten für die geplanten Wohnbauten in Sinstorf gefragt wird. Der Senat kann keine Einschätzung abgeben, weil das Verwaltungsverfahren noch nicht abgeschlossen ist. Ich habe ja die amateurhafte Vermutung, dass wenn das Verwaltungsverfahren abgeschlossen ist der B-Plan steht und es dann zu spät sein dürfte, unselige Entwicklungen zu stoppen.

18. Inwiefern ist nach Einschätzung des Senats eine laut Bebauungsplan Sinstorf 22 direkt an der GH 2 gegenüberliegenden Straßenseite geplante Wohnbebauung mit den Sicherheitsvorschriften der BVOT vereinbar?
„Das Verwaltungsverfahren für den Bebauungsplanentwurf Sinstorf 22 ist bislang noch nicht abgeschlossen. Da das Verfahren und damit diese Prüfung nicht abgeschlossen sind, kann der Senat zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Einschätzung abgeben.“
Meine Schlussfolgerung (leider bin ich kein Wahlbürger in Hamburg): einem Senat, der so von oben herab und mit subtiler Süffisanz eine Anfrage zum Lagerstättenwasser abbügelt, traue ich nicht von hier bis zur nächsten Ecke.

Ingo Engelmann

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