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Die ZEIT veröffentlicht in ihrer ersten Januar-Ausgabe vom 2.1.2014 eine halbseitige Anzeige der Erdgas-Industrie, die fälschlicherweise als redaktioneller Beitrag daher kommt. Der Chef einer amerikanischen Lobby-Agentur sowie sein deutscher Statthalter als Autoren des Artikels geben vor, das deutsche Energiewende-Szenario zu analysieren und Vorschläge zur Rettung der deutschen Wirtschaft zu machen. Zusammengefasst lautet ihr Credo: für die Energiewende (so sie denn überhaupt kommt) brauche man erstmal Erdgas als Überbrückung, und zwar mit aller Macht. Alles andere werde zu teuer, und die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft werde dadurch ernsthaft gefährdet. Wie üblich wird dann der positive Effekt der Schiefergasförderung in den USA auf die dortige Wirtschaft als Beweis herangezogen. Außerdem seien die Gefahren aus dem Schiefergas „übertrieben, wie Erkenntnisse des Massachusetts Institute of Technology und des Umweltkomitees der US-Regierung beweisen“.
Wenn man in Deutschland über die Gefahren des Fracking und der dadurch ermöglichten Erdgasförderung spricht, wird man allenthalben darauf hingewiesen, dass wir ja keine amerikanischen Verhältnisse haben: so schlimm wie dort werde es hier ja nicht werden. Offene Tankbecken für giftige Lagerstättenwasser, Benzole und andere giftige Substanzen in frackingnahen Trinkwasserleitern, Hormonbelastung im Grundwasser – was da in den USA hieb- und stichfest nachweisbar schon schiefgegangen ist, das würden die guten deutschen Umweltgesetze verhindern. Ich halte fest: Amerikaner sind für Europäer in diesem Feld keine guten Gewährsleute, solange sie den Dreck vor der eigenen Haustür bzw. im eigenen Haus nicht kehren. Aber wollen wir deswegen unsere Besen wegschmeißen?
„Gasbasierte Stromerzeugung ist sauber, kohlenstoffarm, billig und flexibel“, schreiben die Autoren. Solange die Abfackelung und Abgabe von Methan in die Atmosphäre weder kontrolliert noch gedrosselt wird (z.B. bei Bohrstellen von Exxon – andere Firmen fangen das Gas auf), bleibt das eine unbeweisbare PR-Behauptung. Solange die Kosten für den Umgang mit den Abwassermengen nicht einberechnet werden, kann man die Kostenberechnungen („billig“) eh vergessen. Reinigung der Lagerstättenwasser hat ihren Preis, aber weitere Versenkung in die Erde (und zwar unweit der grundwasserführenden Schichten und der Trinkwasserrerservoirs) ist volkswirtschaftlich gesehen ein Unding. Wenn unser Trinkwasser nicht mehr sauber ist, wird das erst richtig teuer.
In seiner Stellungnahme zum Fracking vom Mai 2013 stellt der Sachverständigenrat des Umweltministeriums fest, dass Erdgas keine Funktion beim Übergang zu erneuerbaren Energien übernehmen kann. Zu klein die Vorräte, zu groß die Risiken, zu zeitraubend die wissenschaftliche Klärung der offenen Fragen. Es gibt, sagt der SRU, keine gesellschaftliche Notwendigkeit von gefrackter Erdgasförderung. Die einzigen Beweggründe, Erdgas und Erdöl trotzdem so zu fördern, seien privatwirtschaftlicher Natur – auf gut Deutsch: es geht nur um den Profit der Firmen. Bei Exxon liegt der Gewinn pro Jahr derzeit um die 45 Milliarden Dollar, bei GDF Suez „nur“ bei 13 Milliarden Euro. Noch Fragen?
Wenn die USA mit Obama an der Spitze weiter so tun wollen, als hätten sie eine zweite Ersatz-Erde im Kofferraum, wenn sie die erste verbraucht haben, kann ich mich dagegen aussprechen, aber es nicht verhindern. Wenn das dichtbesiedelte Mitteleuropa, speziell aber auch Deutschland und ganz speziell Niedersachsen dazu missbraucht werden sollen, für den schnellen (und wahrscheinlich eher nicht sehr großen) Profit auch noch ausgebeutet zu werden, dann geht mich das direkt an. Die Vorräte hier in Niedersachsen sind pea nuts im Vergleich zu den Lagern in den USA oder in China. Wie groß die dort aber wirklich sind bzw. welchen Bruchteil davon man fördern könnte, welchen Aufwand das kostet, ob sich das noch rechnet, wenn die Lagerstättenwasser technisch gereinigt werden statt sie vergiftet in die Erde zurückzupressen – das alles weiß keiner. Tatsache ist: die einzelne Quelle ist kürzer und weniger ergiebig auzubeuten, auch in den USA, als Wissenschaft und Techniker angenommen hatten. Man muss immer schneller immer mehr neue Bohrplätze errichten. Der Landschaftsverbrauch steigt immens, und der Wasserverbrauch ebenso. IHS (das ist die Firma, für die die Autoren des ZEIT-Artikels stehen) sieht hier eine riesige neue Profitquelle: Wassersparvorschläge für die Industrie und Recycling-Verfahren für Industrie-Abwässer werden sich lohnen. Die Lobbyisten beenden ihre Werbeschrift mit dem leise drohenden Satz: „Die Energiewende muss an eine Welt angepasst werden, die eine andere geworden ist“. Für mich übersetzt sich das so: wir, die erdgas- und erdölfördernden Firmen, sind dabei die Welt zu verändern. Wenn ihr nicht mitmacht, sorgen wir dafür, dass eure Industrie daran kaputt geht („…riskiert Deutschland damit einen Großteil seiner industriellen Basis…“). Wir verkaufen die amerikanische Kohle (die wir in den USA gerade nicht brauchen) so billig in die Welt, dass ihr am Schiefergas nicht vorbeikommt, um nicht übermäßig viel CO2 aus Kohlekraftwerken in die Luft zu pusten. Und wenn ihr dann noch nicht überzeugt seid, klagen wir im Rahmen des Freihandelsabkommens gegen die deutsche Regierung auf Schadensersatz. Also lasst uns endlich machen.
Das hätte die ZEIT in einem redaktionellen Beittrag so wahrscheinlich nicht geschrieben. Warum lassen sie die Herren Yergin und Wiegert diesen Beitrag verfassen, in dem diese mit kreidegeweicht freundlicher Stimme so unverhohlen Druck aufbauen?
Buchholz, 8.1.2014
(Text eines Leserbriefs von Ingo Engelmann an die ZEIT – von deren Software bisher nicht angenommen…)
link zum Artikel:
http://www.zeit.de/2014/02/energiewende-erdgas
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