Wir haben einen Brief an „die“ niedersächsische Politik geschrieben: Ministerpräsident Weil, Wirtschaftsminister Lies, Umweltminister Wenzel, die Fraktionen im Landtag sowie den Landtagspräsidenten. Darin forderten wir am 18.6.2013 dringend politische Schritte zur Sicherstellung eines Moratoriums, Sicherung des grundgesetzlich festgeschriebenen Vorsorgeprinzips und die Beweislastumkehr sowie wasserrechtliche Maßnahmen. Bisher antworteten der Landtagspräsident, der den Brief zur Behandlung an den Umweltausschuss des Landtages weitergeleitet hat, sowie die Fraktionen der Grünen und der CDU. Jetzt hat auch der federführende Minister Olaf Lies ausführlich Stellung bezogen.
Lies betont zunächst, dass ein „deutscher Energiemix“ nicht auf fossile Energieträger verzichten könne. Erdgas sei hier eine unverzichtbare Ressource, sofern sichergestellt sei, dass es keine „erheblichen Beeinträchtigungen für Mensch und Natur“ gebe. Da gebe es noch Informations- und Wissensdefizite, die aber nicht so ins Gewicht fallen, dass man deswegen ein generelles Moratorium ausrufen müsse. Andrerseits sei er sich mit dem Ministerpräsidenten einig, dass in die Frack-Technologie zur Erschließung unkonventioneller Gasvorkommen erst eingestiegen werden dürfe, wenn die bestehenden Erkenntnislücken geschlossen seien.
Dazu müsse die gesetzliche Voraussetzung geschaffen werden: Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) sowie Beweislastumkehr bei Schäden durch Erdstöße („Bergschadensvermutung“). Abschließend stellt Lies klar, dass die erteilten Aufsuchungserlaubnisse in keinerlei Zusammenhang zum Fracking stünden – es dürfe lediglich gesucht werden, und das habe mit den potenziell umweltgefährdenden Maßnahmen nichts zu tun.
Es ist erfreulich, dass der zuständige Landesminister die Sorgen der Bürgerinitiative so ernst nimmt, dass er auf zwei Seiten ausführlich zu den Forderungen der Bürger Stellung bezieht. Fast die Hälfte des Textes nehmen die beiden konkreten Gesetzesvorhaben zu UVPs und der Bergschadensvermutung ein – hier ist der Minister in seinem Metier, ist sicher und bestimmt. Die Absätze davor und danach bedürfen einiger Klar- und Richtigstellungen.
Das Moratorium für alle Gasbohrungen (vor allem die, bei denen gefrackt wird) ist dazu da, dass genug Zeit ist, um erst einmal die Gefahren besser einschätzen zu können. Wie werden Grundwasserleiter und Trinkwasserreservoirs beeinflusst, wenn sie vielfach durchbohrt werden? Wie sicher bzw. unsicher sind die Bohrungen zum Fördern des Gases bzw. zum Verpressen der giftigen Lagerstättenwässer tatsächlich? Muss es ein Verpress-Verbot geben? Wohin dann mit dem Abwasser? usw. usw. Im selben Atemzug stellt der Minister fest, dass die Klärung dieser offenen Fragen nicht so entscheidend ist, dass man deswegen ein Moratorium erlassen müsse – um im nächsten Absatz zu betonen, dass vor Klärung der offenen Fragen natürlich nicht gefrackt werden solle. Und dazu dient das Moratorium, Herr Lies! Sie nennen die richtigen Argumente – und zucken dann davor zurück, daraus auch die notwendigen Schlussfolgerungen zu ziehen. Wir Bürger haben für diese hasenfüßige Politik kein Verständnis.
Die Beschwichtigung, die Erlaubnis zur Aufsuchung (d.h. zum Erkunden der Vorräte) habe ja nichts mit Fracking zu tun, dazu müssten ja weitere Genehmigungsverfahren durchlaufen werden, ist eine gezielt eingesetzte Naivität, die Böses ahnen lässt. Wenn erst einmal die Aufsuchungserlaubnis erteilt ist, gibt es nur wenig Spielraum, weitere Schritte (Bohrungen, Förderung) zu verhindern. Wer erst einmal aufgesucht hat, ist privilegiert und kann nur gebremst werden, wenn zwischenzeitig neue Erkenntnisse ins Spiel kommen. Die Erteilung der Aufsuchungserlaubnis ist sozusagen die Öffnung des Tresorraums, und wenn man erst in der Schatzkammer ist, kann man sich um die weiteren Schließfachtüren in Ruhe kümmern, da gibt es keine Alarmanlagen mehr, keine meterdicken Stahlwände, das ist ein Kinderspiel. So ist es jedenfalls bisher in der Regel gelaufen, und weder der Minister noch sein Ausführungsorgan LBEG lassen erkennen, dass das künftig anders gehandhabt werden wird.
Es gibt allerdings doch einen Unterschied: die Bürger sind wach geworden und gucken ganz anders hin. Herr Lies wird sich weitere Fragen und deutliche Kritik anhören müssen. Der Gesprächsbedarf ist nach diesem Brief größer geworden.
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