Neue Zwischenvertröstung – was ein Minister unter „Antwort“ versteht

1. Die Fragen

An das
Niedersächsisches Ministerium
für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung
Friedrichswall 1
30159 Hannover

Betreff: Fragen zu verfüllten und abgelenkten Bohrungen mit Schäden im Ringraum und
Eintritt von Fremdwasser in den Bewilligungsfeldern Sinstorf und Fleestedt I

Sehr geehrter Herr Minister Dr. Althusmann,
im Nachgang zu Meldungen über die Havarie der Erdölbohrung Emlichheim, Bohrstelle
EM 132, wo etwa 140 000 bis 220 000 Kubikmeter Lagerstättenwasser in den Untergrund
entwichen, weil u. a. die Ummantelung des Bohrlochs korrodiert war, möchte ich Fragen
zu bestehenden Erdölförderbohrungen im Landkreis Harburg stellen, die ähnlich  Auffälligkeiten aufzeigten.

Hintergrund
In der Gemeinde Seevetal wird seit mehr als 50 Jahren Erdöl gefördert. Die bestehenden Förderbohrungen wurden größtenteils in den 1960er Jahren abgeteuft und werden im Feldesbereich Sinstorf, vormals Sottorf Ost I, nunmehr Sinstorf vom Rechtsinhaber Mobil Erdgas-Erdöl GmbH, ehemals ENGIE E&P Deutschland GmbH, betrieben.
Folgende Bohrung des tiefen Untergrundes sind dort im Postweg 205, Beckedorf, belegen
• 051479800201 Sottorf-Ost 2
• 051479800301 Sottorf-Ost 3
• 051479800302 Sottorf-Ost 3a

Folgende Bohrung des tiefen Untergrundes sind hier am Mühlenweg 70 und an der
Autobahnzufahrt Fleestedt belegen
• Bohrung des tiefen Untergrundes

• 051654800401 Meckelfeld-West 4
• 051654800402 Meckelfeld-West 4a
• 051654800501 Meckelfeld-West 5
• 051654800502 Meckelfeld-West 5a

Das Unternehmen Neptune Energy GmbH Deutschland ist Rechtsinhaber des
Bewilligungsfeldes Fleestedt I, ehemals ENGIE E&P Deutschland GmbH.
In unmittelbar in Nähe der unbefestigten Betriebsplätze Mühlenweg 70 und Postweg 205
verlaufen eiszeitlichen Rinnen mit -100 m Tiefe. Sie führen im Abstrom zum Wasserwerk
Bostelbek in HH.

Seevetal Beckedorf ist Einzugsgebiet für die Trinkwasserversorgung des
Wasserwerkes Bostelbek HH (HH Drucksache 21/6292 -Betr.: Statusbericht zur
Trinkwasserversorgung in Hamburg), außerdem befindet sich angrenzend das
Trinkwasser Vorranggebiet und das dazugehörige WSG Woxdorf.

Am 22.06.2017 erhielt ich Antwort zu meiner Anfrage vom 24.04.2017 von Herrn Mathias Eberle, Leiter des Referates 23, „Grundwasser, Wasserversorgung, Fachplanungs- und Datenmanagement, Gewässerkundlicher Landesdienst“ Niedersächsisches Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz in 30169 Hannover, Archivstraße 2 .
Im Antwortschreiben vom 22.06.2017 des MU fand ich folgende Angaben:

„Teilverfüllung Sottorf Ost 3a
Die Rückverfüllung von Bohrungen und ihre nachfolgende Ablenkung stellt eine übliche
Vorgehensweise zur Erhöhung der Förderkapazität einer Bohrung dar. Im Fall der
Bohrungen Sottorf Ost 3a wurde im Jahr 2010 eine Teilverfüllung mit anschließender
Ablenkung zur Wiederherstellung der technischen Integrität durchgeführt. Grund für
die Maßnahme war der Eintritt von Fremdwasser in den Ringraum, welches durch die
installierte Drucküberwachung festgestellt wurde. Die Ablenkung der angesprochenen Bohrungen wurde beim LBEG bergrechtlich beantragt und nach erteilter Zulassung von ENGIE durchgeführt.
Im Zulassungsverfahren wurde dabei auf die Beteiligung des Landkreises Harburg
und der Gemeinde Seevetal verzichtet, da lediglich die Zuständigkeit des LBEG
gegeben war.“

In Bewilligungsfeld Fleestedt gab es laut Firmensprecher ENGIE, Herrn Dr. Brieske, im
Schreiben an Dr. Engelmann vom 31. 3. 2017 ähnliche Störungen „ ..Meckelfeld West 1
und Meckelfeld West 4 wurden im Zeitraum 2009/2010 teilverfüllt und aus dem
bestehenden Bohrloch heraus abgelenkt. Grund für diese Arbeiten war das per
Drucküberwachung festgestellte Eindringen von Flüssigkeit in den so genannten
Ringraum zwischen äußerer Bohrlochverrohrung und innerem Förderstrang.
Die Bohrungen wurden temporär außer Betrieb genommen. Eine Gefahr für Mensch und
Umwelt durch unkontrollierten Austritt von Medium aus der Bohrung bestand zu keinem
Zeitpunkt. Per Sonderbetriebsplan wurden bei der zuständigen Bergbehörde die
geplanten – nach Vorliegen der Zulassung auch durchgeführten – Wartungsarbeiten
an den Bohrungen beantragt.“

Im Unternehmensbericht 2009 der GDF SUEZ E&P DEUTSCHLAND GMBH, S. 24, berichtet
das Unternehmen: Nach Feststellung irreparabler Schäden an den Futterrohrtouren wurden die
Bohrungen Meckelfeld-West 1 und West 5 sowie Sottorf-Ost 3 des Erdölfeldes Sinstorf zum Schutz
gegen unkontrollierte Wasserzuflüsse teilverfüllt.

Meine Fragen:

1. Wurde seitens des Betreibers und der Aufsichtsbehörden LBEG geprüft, ob durch den
Eintritt von Fremdwasser in den Ringraum der Bohrung Sottorf Ost 3a ein Schaden im
Sinne eines Umweltschadens in Form eines Grundwasserschadens nach § 90
Wasserhaushaltsgesetz entstanden war? Wenn ja, wie wurde der Nachweis geführt, bitte
mit Detailangaben.
Wurde eine Schadensbeseitigung nach dem Umweltschadensgesetz (§ 11) durchgeführt
und welche Maßnahmen wurden angeordnet, veranlasst und kontrolliert?

2. Wurde seitens des Betreibers und der Aufsichtsbehörden LBEG geprüft, ob durch den
Eintritt von Fremdwasser in den Ringraum der Bohrungen Meckelfeld West 1 und
Meckelfeld West 4 Schäden im Sinne eines Umweltschadens in Form von
Grundwasserschäden nach § 90 Wasserhaushaltsgesetz entstanden war? Wenn ja, wie
wurde der Nachweis geführt, bitte mit Detailangaben.
Wurden Schadensbeseitigungen nach dem Umweltschadensgesetz (§ 11) durchgeführt
und welche Maßnahmen wurden angeordnet, veranlasst und kontrolliert?

Zusatzfragen zu 1 + 2:
Sind bei den drei Erdölbohrungen die Bereiche zwischen äußerem Casing (äußerer
Bohrlochverrohrung)und Gebirge durchgehend komplett zementiert? Konnte
Lagerstättenwasser und Erdöl durch die geschädigten Futterrohrtouren in den Bereich
zwischen äußerer Bohrlochverrohrung und Gebirge nach oben in grundwasserführende
Schichten aufsteigen? In welchen Teufenlagen befanden sich die geschädigten
Futterrohrtouren bei den einzelnen Bohrungen? Bis in welchen Tiefen reichen bei diesen
Bohrungen die grundwasserführenden Schichten?

3. Genießen die genannten Bohrungen, die vor den 1980er-Jahren hergestellt worden
sind, Bestandsschutz vor technischen Weiterentwicklungen, die sich auf den Schutz von
Natur und Umwelt negativ auswirken können?

4. Inwiefern ist die Ausführung, dass „seit den 1980er-Jahren nach der niedersächsischen
Tiefbohrverordnung die Pflicht besteht Bohrungen mit einer Zementschicht auszukleiden“
zutreffend, und wie verhält es sich bei den obig benannten Bohrungen?

5. Seit welchem Zeitpunkt und unter welchen Umständen ist der Betrieb von korrodierten
Rohrleitungen und Tiefbohrungen, die unter das Bergrecht fallen, in Niedersachsen
zulässig bzw. unzulässig?

6. Ist aus Sicht WM die fehlende Beteiligung bei den Zulassungen der
Sonderbetriebspläne des Landkreises Harburg und der Gemeinde Seevetal korrekt und
hinnehmbar, da angeblich lediglich die Zuständigkeit des LBEG gegeben war?

7. Gibt es weitere vergleichbare Vorfälle im Lande Niedersachsen?

8. Ist es in Zukunft vertretbar, dass Umweltschäden nicht durch die zuständigen Behörden
auf untererer und weiterführender Verwaltungsebene gemeldet, erfasst, bewertet und
unter deren Beteiligung saniert werden?

Mit freundlichen Grüßen

Renate Maaß

2. Die Antwort

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