Öllager: unfreiwilliger Tag der offenen Tore

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Vertreter der BIs „Kein Fracking in der Heide“ und „Frackingfreies Hamburg“ nahmen bei einer Rundtour Betriebsplatz, Bohrstellen und Verpressbohrung im Grenzbereich von Niedersachsen und Hamburg in Augenschein. Hier wird noch Öl gefördert, nicht viel, aber eine ganze Reihe zur Zeit stillgelegter Bohrstellen wartet auf neue Fracking-Verfahren, mit denen sie noch mal ausgepresst werden können. Die Verpressstelle für Lagerstättenwasser liegt in einem Mischgebiet mit zahlreichen Einfamilienhäusern, Gewerbebetrieben und einer ausgedehnten Schrebergartensiedlung. Ob die Anwohner wohl wissen, was sich auf diesem kleinen Grundstück mit unauffälligen Betonhäuschen und ein paar Edelstahlrohren tut? Genaue Angaben zum Umfang der Versenkung von Lagerstättenwasser und dessen Zusammensetzung an dieser Stelle müssen mühsam erfragt werden, die dritte Folge von Anfragen ist in Vorbereitung. Hier bewährt sich die Kooperastion der BIs über Ländergrenzen hinweg. Die politisch-administrative Situation wird nicht vereinfacht durch den mehrfachen Übertritt der Leitungsnetze über die Landesgrenzen, was zu unterschiedlichen Zuständigkeiten bei den Ministerien führt. Die Verpressstelle ist in Hamburg, der Betriebsplatz in Niedersachsen.

Bei fast allen Plätzen mussten wir uns damit begnügen, einen Blick über den Zaun oder durch Hecken zu werfen. Beim letzten Stop am Betriebsplatz Postweg in Seevetal allerdings hielt die Firma eine Überraschung bereit. Der Betriebsplatz umfasst ein Öllager, dort wird Nassöl von den Förderstellen zusammengeführt und gereinigt bzw. das Rohöl wird von den anderen Bestandteilen (Wasser, Salze, Schwermetalle usw.) getrennt und diese werden dann zu der Verpressstelle in Hamburg per Rohrleitung weiter geleitet. Die Schwefelanteile werden gesammelt, deshalb gibt es einen mehrere Kubikmeter umfassenden Schwefelsäuretank. Natronlauge wird zugesetzt, hierfür wird auch diese Chemikalie bereitgehalten und gelagert.

Die Überraschung bestand darin, dass (vermutlich nicht extra für die auch gar nicht angemeldeten BIs) die Tore des Betriebsplatzes offen standen. Zwei hintereinander liegende Rolltore waren beiseite gerollt, der Zugang war frei und nicht einmal ein Schild wie „Betreten für betriebsfremde Personen verboten“, die bekannte Gefahren-Hand oder ähnliches wiesen darauf hin, dass dieser Zugang nicht nützlich sei. Auf der Suche nach einem Mitarbeiter, den wir darauf hinweisen könnten, dass hier ein Sicherheitsmangel vorliegt, wurden wir nicht fündig (fanden bei dem Suchgang aber die genannten Tanks und Rohrleitungen vor). Es war kein Mensch auf dem gesamten Gelände, der Tag der Offenen Tore fand ohne Führung statt. Wir haben nichts angefasst – aber kann die Firma sicher sein, dass jeder „Besucher“ das so hält?

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Bei dem Gespräch von BI-Vertretern mit dem neuen LBEG-Präsidenten Sikorski  hatten die Behördenvertreter sich vorige Woche noch gerühmt, dass ihre Reaktion auf Informationen über offenstehende Betriebsgelände schnell und effektiv gewesen sei. Sie hatten fast hundert Betriebplätze inspiziert, heruntergetretene Zäune und unabgeschlossene Tore moniert. Das habe eine Breitenwirkung, teilten sie mit: die Firmen hätten selbst nochmal nachgeguckt, wo die Zäune defekt seien, und es sei eine deutliche Verbesserung der Sicherheitslage zu verzeichnen.

Nun stellten wir fest: nicht überall. Ein Anruf in der Security-Zentrale der Firma zeigte: die hatten die offenen Tore voll auf dem Schirm. Aber das war kein Anlass zur Unruhe, der diensthabende Mitarbeiter vor Ort sei wohl mal eben zu einer Inspektion an einem anderen Platz gefahren. Wir hatten die offenen Tore um achtzehn Uhr entdeckt, wieder zuhause angekommen war es beim Security-Anruf ungefähr einundzwanzig Uhr. Wie lange das Gelände noch offen und ungesichert war, wissen wir nicht. LBEG und Firma (per mail informiert) versprachen zwölf, dreizehn Stunden später, der Sache nachzugehen.

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Was dabei rauskommt, ist eigentlich eher nicht so wichtig. Was bleibt, ist eine erneute Erfahrung mit dem Schlendrian der Öl- und Gasindustrie. Man müsste denen viel Vertrauen entgegen bringen bei all den Risiken ihrer Tätigkeit. Sie verspielen es aber schon im Alltag mit derartigen Kleinigkeiten.

Die Betreiberfirma versichert auf ihrer Internetseite: „Die GmbH verpflichtet sich zur Einhaltung der gesetzlichen HSE-Vorschriften und Regelungen“ (HSE steht für Health, Security, Environment). Wie soll man denn jemanden ernst nehmen, der glaubt, so etwas in seiner offiziellen Selbstdarstellung betonen zu müssen? P.S.: Es geht um die Branche, und es geht um grundsätzliche Haltungen (Vertrauen, Zuverlässigkeit usw.). Zum jetzigen Zeitpunkt ist es nicht wichtig, um welche Firma es eigentlich geht. Es stehen ja auch noch Informationen der zuständigen Stellen aus, die versprochen haben, der Sache nachzugehen. Wir bleiben am Ball…

(Ingo Engelmann)

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