Ölprinzen und Bestandsschützer

In Berlin wurden am Donnerstag Verbände und Bundesländer zu dem Maßnahmenpaket „Fracking“ angehört. Dem Vernehmen nach waren einige für stärkere Regulierung, andere dagegen. Viel mehr war der Presse nicht zu entnehmen. Der Versuch der Erdgas- und Erdölindustrie. Die BIs aus dem Saal jagen zu lassen, schlug kurz und schmerzlos fehl. Der Verband der Deutschen Industrie VCI forderte Erforschung und Nutzung der Fracking-Technologie, Naturschutzverbände und Bis waren anderer Meinung (Bericht z.B. beim Münchner Umweltinstitut (1)).

Diese Anhörung hat kein wirklich Neues Szenario ergeben, ihr Ergebnis war vorhersehbar. Warum hat uns als BI das Ganze so wenig aufgeregt? An zwei Beispielen kann das illustriert werden: welche Ausnahmen für die Förderung von Erdöl zu erwarten sind, sowie der geplante Bestandsschutz.

Schon in ihrem Eckpunktepapier hatten die Eltern des Fracking-Pakets, Umweltministerin Hendricks und Wirtschaftsminister Gabriel, im letzten Sommer deutlich gesagt: Das Fracking-Verbot oberhalb von 3000 Meter, das den besonderen Schutz des Trinkwassers betonen soll, gilt nur für Schiefergas. Nirgends wird begründet oder deutlich ausgeführt, was denn mit der Aufsuchung und Förderung von Öl passieren wird. Klar ist nur: Oberhalb von 3000 Meter darf Schiefergas nicht mit Fracking-Technologie gefördert werden – aber Öl schon. Sicher ist die Technologie beim Öl- und beim Gas-Fracken nicht identisch. Aber worin begründet liegen soll, dass die Regulierung bei der Erdgasförderung für das Erdöl nicht gelten wird, weiß der Himnmel. Auch der Entwurf einer verschärften Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP), den das Land Niedersachsen vorgelegt hat, bezieht sich ausschließlich auf Anlagen zur Förderung von Erdgas, Öl ist nicht gemeint.

Bei uns im Kreis Harburg wird Erdöl gefördert, von GdF Suez im Nordkreis (Meckelfeld / Fleestedt). Die Fördermengen sind nicht riesig, aber aufgrund der Zusammensetzung des Öls (nur ca. 10% Öl-Anteil, der Rest ist ein Gemisch aus Wasser und anderen Stoffen) fällt viel Lagerstättenwasser an. Es ist nicht in unserem Interesse, die Ausbeute bestehender Bohrstellen durch neue Techniken zu erhöhen. Das einzige Interesse daran besteht in der angestrebten Rendite.

Auch die im Feld „Oldendorf“ aufsuchende Firma Kimmeridge sucht nach Öl, das ist seit Jahren aus dem Internet und Äußerungen der Geschäftsführung bekannt. Beim Landesbergamt LBEG hat sich Linda Engelmann von der BI „Kein Fracking in der Heide“ erkundigt,

welche Möglichkeiten die Firma Kimmeridge hat, in den Gesteinsformationen des Posidonienschiefers oder in den Schichten darüber Öl zu fördern. Der Pressesprecher des LBEG bestätigte, dass es keine neuen Beschränkungen für Erdölförderung nach dem geplanten UVP-Richtlinien gibt. Der Pressesprecher betont aber wortreich, dass man daraus keinesfalls den Schluss ziehen könne, Erdöl könne ganz beliebig aus dem Boden geholt werden – es gebe da zahlreiche Vorschriften wie die Tiefbohrverordnung und andere. Außerdem werde ja immer alles ganz sorgfältig bei der Entscheidung über die zu beantragenden Betriebspläne geprüft. Und schon heute gelten UVP-Vorschriften für Ölförderanlagen, die täglich mehr als 500 Tonnen Erdöl fördern. Das trifft nach den vorliegenden Zahlen nur für eine von ungefähr vierzig Ölförderstellen in Niedersachsen zu (Rühle im Emsland (2)).

Das heißt: bei Öl bleibt alles beim Alten, und das Alte war schon nicht gut. Mit den neuen Technologien wird es noch schlechter. Die Zahl der Altlasten und Unfälle in der Vergangenheit steigt, sobald sich jemand um einen Bereich mal intensiver kümmert. Es sei doch dreißig Jahre alles gut gegangen? Immer klarer wird: Es hat keiner hingeguckt, und wo man jetzt nachforscht, fängt es ganz schnell an zu stinken. Wahrscheinlich sind vielerorts Gesundheit und Wohlbefinden der Anwohner gefährdet. An dieser unerfreulichen Lage wird (was uns im Landkreis Harburg betrifft) kein Maßnahmepaket zum Fracking bei Erdgas etwas ändern. Denn bei uns heißt zur Zeit das Thema: Öl

Außerdem gibt es bestehende Bewilligungen, zum Beispiel könnte die BEB (Tochter von Exxon und Shell) in Meckelfeld morgen wieder anfangen zu fördern. Die Bewilligung ist da, zwar befristet bis Herbst diesen Jahres, aber man könnte sofort anfangen – und dann würde die Bewilligung schon verlängert werden.

Da gehen wir übergangslos zum nächsten Thema über, dem Bestandsschutz. Als wir im letzten Sommer mit dem niedersächsischen Wirtschaftsminister Lies gesprochen haben, hat er klipp und klar festgestellt, dass es für bestehende Anlagen in der Öl- und Gasförderung einen Bestandsschutz geben muss. Alles, was bis heute bewilligt worden ist, kann weiter laufen. Das heißt konkret: Versenkung von Lagerstättenwasser im Wasserschutzgebiet? Im Kreis Gifhorn und bei Verden bewilligt, darf also weiter laufen. Wir konnten das nicht fassen, aber für den Minister war das eine Sache von Verlässlichkeit gegenüber den Betreibern, die so viel investiert haben und die Gewähr haben müssen, dass sich das alles rentiert. Das heißt dann Vertrauensschutz, und die Frage nach der Umkehrung (warum sollten wir den Firmen nach all den Störfällen und Täuschungen noch trauen?) wird nicht gestellt. Der Bestandsschutz ist in der politischen Diskussion nirgends seither in Frage gestellt worden. Jeder normale Bürger muss sich an neue Regelungen halten, sobald sie wirksam werden. In gravierenden Fällen gibt es vielleicht Übergangszeiträume, die genau festgelegt werden. Nichts davon ist in dem Regelungspaket von Bundesregierung in Berlin und Landesregierung in Hannover zu finden. Weitermachen! Ist die Devise.

Und deshalb ist es aus unserer Sicht nicht so spannend, was in Berlin geredet wird: Es geht eh weiter wie bisher. Umso wichtiger bleibt es, vor Ort wachsam zu sein. Vielleicht machen dann Firmen die Erfahrung, dass nicht alles, was politisch machbar wäre, gegen die Bevölkerung durchgesetzt werden kann.

 

(1) http://www.umweltinstitut.org/aktuelle-meldungen/meldungen/verbaendeanhoerung-gesetzesentwurf-ist-fracking-foerderpaket.html

(2) http://www.lbeg.niedersachsen.de/portal/live.php?navigation_id=655&article_id=936&_psmand=4

 
(Ingo Engelmann)

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