Im Kreis Rotenburg/Wümme gibt es eine große Koalition aus Wasserversorgern. Kommunalpolitik und Bürgerinitiativen zum Schutz der Trinkwasservorräte. Ein ausführlicher Bericht in der Lokalzeitung schildert die Szenerie:
Die Wasserversorger und die Stadt Rotenburg sind besorgt (…) Reinhard David und Volker Meyer wollen das „unterirdische Juwel“ schützen. Die Geschäftsführer der Rotenburger Stadtwerke und des Wasserversorgungsverbandes Rotenburg-Land versorgen mit ihren Unternehmen rund 100 .000 Menschen in der Region mit Wasser. Das stammt aus der Rotenburger Rinne, einem eiszeitlichen System in einer Tiefe von rund 300 Metern, das sich zwischen der Elbe und Aller erstreckt. 500. 000 Menschen werden insgesamt mit Wasser von dort versorgt.
(…) Die Bundesgesetzgebung bleibt schwammig, in welchen Schutzzonen Fracking und Co. verboten sind, und die neuen Raumordnungsprogramme im Landkreis und auf Landesebene sind noch nicht ausformuliert. Zudem gibt es ein Gerangel um Zuständigkeiten, wer nun was verbieten könnte. David: „Das ist suboptimal.“ Bislang heißt es im Entwurf des Regionalen Raumordnungsprogramms (RROP), dessen zweiter Entwurf im Mai vorgestellt werden soll: „Mit unserem Antrag wollen wir weiträumig die ,Rotenburger Rinne‘ und damit unser Trinkwasser schützen. Durch ein Fracking-Verbot in ,Vorranggebieten für die Trinkwassergewinnung‘ wird dem umfassend Rechnung getragen. Dies berührt nicht die Erdgasförderung in weiten Teilen des Landkreises Rotenburg.“ Kein Fracking in Vorranggebieten – eine politische Absichtserklärung im Landkreis. Und selbst um die Abgrenzungen der Vorranggebiete, die sich bislang nicht auf das gesamte Reservoirgebiet der Rotenburger Rinne beziehen, gibt es noch politisches Gerangel. Zudem wird laut Regionalplaner Rainer Meyer noch in Abstimmung mit verschiedenen Fachbehörden geprüft, ob das RROP bestimmte Technologien zur Gewinnung von Bodenschätzen – wie Fracking – ausschließen darf und eine entsprechende Regelung als Grundsatz oder Ziel der Raumordnung dargestellt werden müsste.
(…) Tatsächlich gibt es allein im Wasserschutzgebiet der Stadtwerke mit seinen acht Brunnen drei aktive Erdgasförderanlagen. Auswirkungen auf die Trinkwasserqualität hätten sich dadurch noch nicht ergeben, sagt David. „Es gibt keine Auffälligkeiten – Gott sei Dank.“ Regelmäßig führten die Stadtwerke insbesondere an den Förderstellen besondere Kontrollen durch. Doch lasse sich aus diesem Befund nicht folgern, dass das auch immer so bleibe.
„Müssen wir das Wasser erst schmutzig machen, um es besser zu schützen?“, spielt Meyer auf die Notwendigkeit größer angelegter Schutzgebiete an. Denn, da sind sich beide Wasserversorger einig: „Im Rahmen der Erdgasgewinnung bestehen erhebliche Gefahren für die weitere Trinkwassergewinnung durch Lagerstättenwasser und eingesetzte Frackingstoffe sowie das Durchbohren der Rotenburger Rinne.“
Resolution zum Fracking-Verbot verabschiedet
Der Rat der Stadt Rotenburg hat in seiner Sitzung am Donnerstagabend einstimmig eine Resolution zum Fracking-Verbot verabschiedet, die sich an die Untere Wasserbehörde des Landkreises Rotenburg richtet. „Die Verwaltung wird beauftragt, den Landkreis zu bitten, als Untere Wasserbehörde ein absolutes Frackingverbot zum Schutz der Rotenburger Rinne inklusive ihrer Seitenarme sowie der Vorsorgegebiete für die Trinkwassergewinnung als Trinkwasserreservoir zu initiieren und die Landesregierung aufzufordern, von ihren gesetzgeberischen Möglichkeiten Gebrauch zu machen, das bundesgesetzliche Verbot von Fracking und Verpressen von Lagerstättenwasser in Wasserschutzgebieten generell auf Vorranggebiete für Trinkwassergewinnung auszudehnen.“ Diese Resolution diene dazu, die Gefahren der Verseuchung des Trinkwassers durch Fracking in der Rotenburger Rinne abzuwenden, heißt es in der Begründung für die Resolution.
Wie die Stadt Rotenburg bereits in ihrer Resolution vom 23. April 2013 geäußert habe, bestünden erhebliche Bedenken gegenüber Bohrungen zur Förderung von Gas sowie dem Einsatz der Fracking-Technologie, da die Risiken für den Boden sowie das Grund- und Trinkwasser aufgrund des Einsatzes von wassergefährdenden und umweltschädigenden Stoffen bei diesen Verfahren nicht abschätzbar seien. Das gelte ebenso für das Lagerstättenwasser.
Mit der neuen Gesetzgebung zum Fracking – in Kraft getreten am 11. Februar dieses Jahres – hätten sich die Regeln auch für das konventionelle Fracking verschärft. Für alle zulässigen Frackingvorhaben gelte eine Beteiligungspflicht in Schutzgebieten – unter anderem in Wasserschutzgebieten, Einzugsgebieten von Wasserentnahmestellen für die öffentliche Trinkwasserversorgung, Einzugsgebieten von Brunnen und so weiter. „Hier gibt es nunmehr ein Vetorecht für die Wasserbehörden zu allen Maßnahmen der Bergbehörden“, heißt es in der Begründung zu dieser Resolution weiter. Daher fordert die Stadt Rotenburg den Landkreis auf, als Untere Wasserbehörde ein absolutes Frackingverbot zum Schutz der Rotenburger Rinne und ihrer Seitenarme auszusprechen, weil diese als absolut schützenswertes und wichtiges Trinkwasserreservoir für die vielen Menschen in unserer Region diene.
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Auch der Landkreis Harburg bezieht sein Trinkwasser aus den eiszeitlichen Rinnen, die sich in einhundert bis vierhundert Metern Tiefe aus der Heide in Richtung Elbe ziehen. Bei uns heißen sie unter anderem Hanstedter und Wintermoorer Rinne. Die BI „Kein Fracking in der Heide“ hatte Anregungen an den Landtag und an den Landkreis gesendet, diese eiszeitlichen Rinnen im Raumordnungsprogramm zu schützen – z.B. in einer Petition an den Landtag. Kürzlich wurde vom Präsidenten des Landtages mitgeteilt, dass die Petition im Papierkorb gelandet sei: Mit der Beratung des Landesraumordnungsprogramms sei sie als erledigt zu betrachten. Beigeheftet war die Stellungnahme des Landtages zum Raumordnungsprogramm. Darin ist die Rede von Torferhaltung, Windrädern und Flächenverlust für die Landwirtschaft. Von Fracking, Erdgas- und Ölförderung sowie dem Schutz der Trinkwasservorräte insbesondere in den eiszeitlichen Rinnen kein Wort. Auch im regionalen Raumordnungskonzept des Landkreises Harburg sind nur noch unverbindliche Floskeln enthalten. Unser Nachbarlandkreis macht vor, dass es auch anders geht. Wir werden nun die Untere Wasserbehörde des Landkreises befragen, welche Planungen zum Schutz der eiszeitlichen Rinnen es gibt. Und auch die örtlichen Wasserversorger und der Kreistag sind gefragt.
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