Wissenschaft und Versorgungsunternehmen antworten auf unsere Fragen
(von Renate Maass)
Die Vorgänge der Aufsuchung, Erschließung und Gewinnung von Energieträgern stellen immer einen Eingriff in Umwelt und Natur dar. Die unkonventionelle Gas- und Ölförderung ist mit Umweltbelastungen und -risiken verbunden, sowohl im unmittelbaren Umfeld der Förderanlagen über der Erde und im Untergrund.
Der die Umwelt belastende Prozess beginnt mit der Erkundung der Lagerstätte durch seismische Untersuchungen und durch Erkundungstiefbohrungen. Bei Erfolg versprechenden Ergebnissen erfolgt der Ausbau zur Produktionsanlage und nach Ende der Förderung der Rückbau der technischen Vorrichtungen. Die Errichtung von Bohrplätzen erfordert die Erschließung (Straßen- und Infrastrukturausbau), sowie das Versiegeln der Flächen. Dies ist zwangsläufig mit einer Inanspruchnahme von Flächen und Eingriffen in Natur und Landschaft verbunden. Der Betrieb der Anlagen bringt Lärm- und Luftschadstoffemissionen mit sich. Darüber hinaus besteht ein Risiko von Kontaminationen von Böden und Gewässern beim Umgang mit gefährlichen Chemikalien und Lagerstättenwasser.
Bei den für die unkonventionelle Gas- und Ölförderung erforderlichen Tiefbohrungen werden die oberflächennahen Grundwasserschichten, Salzwasser führende poröse Gesteinsschichten und diese trennende Barriereschichten bis zur gas- bzw. ölführenden Gesteinsschicht passiert.
Durchdrungen werden hier auch mancher Orts trinkwasserführende Grundwasserleiter, z. B. eiszeitliche Rinnen. Sind wir im Aufsuchungsgebiet Oldendorf davon auch betroffen?
Um diese Frage zu beantworten, wurden die Wasserversorger Stadtwerke Buchholz, HWW, HamburgWasser und der Wasserbeschaffungsverband Harburg um Informationen und Einschätzungen gebeten. Es wurde Fachliteratur dazu ausgewertet[1].
Die hydrogeologischen Bedingungen des Trinkwasserreservoirs in der Heide
„In der Nordheide und im weiteren Umfeld sind zwei Grundwasserleiter, der Obere und der Untere Hauptaquifer, durchgängig verbreitet. Teilweise bilden diese wegen kaum vorhandener Trennschichten im Bereich der eiszeitlichen Rinnen einen zusammenhängenden Grundwasserleiter. Darüber lagern ein oder mehrere höhere Grundwasserleiter mit räumlich begrenzter Verbreitung. Diese vertikal voneinander abgrenzbaren Grundwasserleiter greifen seitlich häufig ineinander, so dass sie ein komplexes Grundwasserleitersystem bilden. Es hat Mächtigkeiten zwischen in der Regel 200 bis 400 m.
Die aus Sanden und untergeordnet Kiesen aufgebauten Grundwasserleiter im Bereich der Nordheide sind in großen Teilgebieten durch verschiedenartige geringdurchlässige Schichten in hydraulisch getrennte Grundwasserstockwerke gegliedert. Die Grundwasserentnahmen zur Trinkwassergewinnung erfolgen häufig aus dem tiefsten Grundwasserleiter, dem Unteren Hauptaquifer. Die innerhalb intakter geologischer Abfolgen als Grundwasserleiter trennend wirkende Schichten des Hamburger-Ton-Komplexes und des Oberen Glimmertones sind im Bereich der eiszeitlichen Schmelzwasserrinnen ausgeräumt und durch feinkörnige Beckensedimente (Ton, Schluff) und/oder sandige und kiesige Schmelzwasserablagerungen ersetzt. Dort wo die Rinnen mit Sand und Kies gefüllt sind, schaffen sie hydraulische Verbindungen zwischen den verschiedenen Grundwasserleitern. Zwischen den einzelnen Grundwasserstockwerken kann so ein Wasseraustausch stattfinden,“[2]
so die Auskunft des hydrogeologischen Experten von HamburgWasser.
Wie stelle ich mir eiszeitliche Rinnen vor?
Die Eiszeit hinterließ in unserem norddeutschen Raum Rinnen und Tunneltäler, die oft eine Länge von mehreren Kilometern erreichen können.
Ihre Entstehung ist auf Gletscherabschurf und abtauende Gletscherschmelzwasser zurückzuführen. Im Aussehen ähneln sie dem Steilufer der Ostseeküste, das ja auch verschiedene Gesteins-und Geröllschichten in unterschiedlicher Höhe zeigt. Verschüttete Reste dieses Eises hinterließen auch Hohlformen. Diese wurden mit Wasser gefüllt, bei durchlässigen Schichten bis zur Höhe des Grundwasserspiegels.
Eiszeitliche Rinnen verlaufen manchmal in Fließrichtung unserer Flüsse, aber auch quer zu ihnen (z. B. Elbe). Sie können bis in 250m Tiefe, bei wasserdurchlässigen Schichten aber auch bis zum Grundwasserspiegel heran reichen. Sie sind durchschnittlich 1 bis 4 km breit.
Wo finde ich diese gläziären Rinnen im Auflassungsfeld Oldendorf?
Sie verlaufen in unserem Gebiet unterirdisch meist in Richtung unserer Flüsse. Die Namen der Rinnen verraten, wo sie zu finden sind:
- Buxtehuder
- Elstorfer
- Winterhuder
- Vahrendorfer
- Hanstedter Rinne
Prof. Dr. Ortlam, ehem. Uni Bremen, hat mitgewirkt an der Erkundung des damals anstehenden Begehrens der HWW, Wasser aus der Heide zu bekommen. Er hat das große Süßwasserreservoir in der Heide entdeckt (Hanstedter Rinne).
Nutzen die Trinkwasserversorger diese Vorkommen?
Im Aufsuchungsgebiet Oldendorf fördern Trinkwasserversorger wie der Wasserversorgungsverband des Kreises Harburg, die HWW und die Stadtwerke Buchholz aus diesen Vorkommen durch Brunnen an Rande dieser Rinnen. Sie nutzen dort die Filterwirkung der Geröll- und Kiesrückstände und einer Braunkohleschicht der Eiszeit. Karten mit sogenannten Isolinien der Tiefenlagen weisen diese Rinnen aus(siehe Beispiel[3]) .
Karte 1- Wasserwerk Nordheide-Übersichtsplan Grundwassereinzugsgebiet und Quartärbasis_100
Werden diese wasserführenden Rinnen bei der Genehmigung des Gas- und Ölbohrens berücksichtigt?
Rechtlich geschützt sind im Gewässerschutz §51 WHG
- Wasserschutzgebiete (Zone1)
- Trinkwassergewinnungsgebiete, weil sie unabhängig vom rechtlichen Status als Trinkwassergewinnung tätsächlich genutzt werden. Sie werden auch als 50-Tage-Zone bezeichnet, weil das Grundwasser von den äußeren Grenzen dieses Bereichs bis in die Trinkwasserbrunnen ca. 50 Tage braucht (Zone 2)
- Heilquellenschutzgebiete
- Zone 3 ist abhängig vom Einzelfall. Sie umfasst das gesamte Einzugsgebiet. Die Trinkwassereinzugsgebiete in unserem Bereich, z. B. In der Karte der HWW, sind umfassend gefährdet.
Die eiszeitlichen Rinnen sind bei der Genehmigung von Gasbohrvorhaben nicht geschützt (wie am Beispiel des Durchbohrens der Rotenburger Rinne[4] aufzuzeigen ist).
Prof. Ortlam bezieht in einem Gespräch mit der Verfasserin am 26.6.2013 deutlich Stellung gegen die Maßnahme des horizontalen Gas- und Ölbohrens und der daraus folgenden Gefährdung einer Verunreinigung des Trinkwassers.
Dies träfe auch für den Einzugsbereich des Aufsuchungsfeldes Oldendorf zu, besonders im Bereich der vielfältigen pleistozären Rinnenbildungen im Großraum der Lüneburger Heide.
Wie stehen die Trinkwasserversorger zu der möglichen Gefährdung?
Alle befragten Trinkwasserversorger in der Region, wie HWW[5], WBV Harburg, Stadtwerke Buchholz, lehnen das unkonventionelle Gas- und Ölbohren mit seinen schadenbringenden Auswirkungen eindeutig ab.
Anmerkung: Für das Feld Schwarzenbek wurde in der Zwischenzeit eine Aufsuchungserlaubnis an die Firma PRD vergeben (ie)
Gewässerschutz für das Ausuchungsgebiet Oldendorf berücksichtigen –Gefährdung vermeiden!
Abgesehen von einer rechtlichen Beurteilung sollte beachtet werden, dass
- das vorgesehene Verbot von Fracking auf Wasserschutz- und Quellschutzgebiete zu kurz greift, denn zahlreiche Wasservorkommen – so wie die eiszeitlichen Rinnen – liegen außerhalb solcher definierten Schutzgebiete. Wasser kennt keine Grenzen, hier muss adäquater Schutz gewährleistet werden
- die Bohrung, unter Durchteufung trinkwasserführender Schichten beim Gas- und Ölbohren, nicht gleichzusetzen ist mit dem Einbringen von Brückenpfeilern oder Bootsanlegern[6]
- der enorme Verbrauch an Wasser für die Fördertechnik des angestrebten Gas- und Ölbohrens im Landkreis ( und auch im Stadtgebiet Hamburgs – Aufsuchungserlaubnis Vier- und Marschlande) einen enormen Eingriff in den Wasserhaushalt darstellt
- jeder unangemessene Eingriff in das unterirdische Wasserreservoir Folgen in Form von Versalzung[7] haben kann
- die Veränderungen durch unmäßigen Zugriff auf die Lebensressource „Wasser“ eine Veränderung des dynamischen Gleichgewichts unter der Erde bedeutet
- die Aufsucherfirma „Blue Mountain Exploration LLC“ sicherstellen muss, dass sie ihrer Verantwortung gerecht wird, d.h. die erforderliche Sorgfalt („due diligence“[8]) walten lässt. Diese Sorgfaltspflicht bezieht sich nicht nur auf das Vorhaben im Aufsuchungsfeld Oldendorf selbst, sondern auf die gesamte Wertschöpfungskette des Unternehmens.
Zusammenfassend ist zu sagen, dass die Bi „Kein Fracking in der Heide“ die Aufsuchung, die Erschließung und Gewinnung von Energieträgern (Gas/Öl) durch unkonventionelle Fördermethoden aus den zuvor genannten Gefährdungsgründen ablehnt.Sie stimmt überein mit der Einschätzung der Wasserversorger der Region, die das unkonventionelle Gas- und Ölbohren, mit seinen vermutlich schadenbringenden Auswirkungen für das Aufsuchungsfeld Oldendorf, ebenso eindeutig ablehnen. |
[1] Groba, E. & Ortlam, D.: (1968) Geologie des Jungtertiärs und des Pleistozäns in der Lüneburger Heide. – In W. Richter et al. Geol. Jb., 85:823-826, 2 Taf., Hannover.
Ortlam, D. 1970d) Der Aufbau pleistozäner Rinnen in der Lüneburger Heide. – Vortragskurzfassung DEUQUA-Tg. Kiel, September 1970, Eiszeitalter u. Gegenwart, 21:185-186, Öhringen/Württ..
Groba, E., Ortlam, D. & Vierhuff, H.: (1970) Pleistozäne Rinnen in der Lüneburger Heide. – Eiszeitalter u. Gegenwart, 21:185-186, Öhringen/Würt.
Kuster, Hans; Meyer,Klaus-Dieter ,Glaziäre Rinnen im mittleren und nördlichen Niedersachsen. E&G – Quaternary Science Journal; Vol.29, No. 1, A. 12.
[2] Dr. J. Grossmann, Geologe bei HamburgWasser, am 31.07.2013, Bezug nehmend auf den Wasserrechtsantrag der HWW 2009
[3] Karte 1: Wasserwerk Nordheide Übersichtsplan Grundwassereinzugsgebiet und Quartärbasis I
[6] Prof. Dr. M. Reinhardt, Wasserrechtliche Vorgaben für die Gasgewinnung durch Fracking Bohrungen, NvwZ 21/2012
[7] D. Ortlam Pleistozäne Rinnen und der DGH-Effekt — Warum „Gorleben“ die falsche Wahl war -(Vortrag, gehalten am 17. 04. 2010 in Dannenberg anlässlich des „Gorleben“-Hearings der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg e. V. – Alle Rechte beim Autor)
[8] John Ruggie, Abschlussbericht vor dem UN Menschrechtsrat 14.06.2011
http://menschliche-entwicklung-staerken.dgvn.de/meldung/leitlinien-zur-verantwortung-der-wirtschaft-fuer-die-menschenrechte
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