Lässt der Landkreis es bei Halbherzigkeit? Ein Sachstandsbericht
Das niedersächsische Landwirtschaftsministerium ist hierzulande für die Landesraumordnung zuständig. Dort wurde entschieden, Fracking und alle möglicherweise damit verwandten Themenbereiche aus der Raumordnung auszuklammern (wir berichteten am 17.2.16 und am 23.2.16 darüber). Die anlässlich der öffentlichen Anhörung am 17.2.2016 in Lüneburg gemachte Versprechung, die Referatsleiterin im Landwirtschaftsministerium werde sich zu unserer Eingabe noch schriftlich äußern, ist bis heute, mehr als zwei Monate später, uneingelöst.
Die BI „Kein Fracking in der Heide“ hat sich nun an den Petitionsausschuss des Niedersächsischen Landtages gewendet, um mit einer Eingabe dort möglicherweise doch noch das verweigerte Gehör zu finden (1). Außerdem hat sie sich erneut an die zuständige Referatsleiterin gewandt, um an die versprochene Antwort zu erinnern (2).
Im Landkreis Harburg wirkt sich das von den Landesplanern verordnete Schweigegebot bezüglich der Gas- und Ölförderung bereits aus. Im zuständigen Bau- und Planungsausschuss des Landkreises wurde das Thema im Februar 2016 behandelt. Laut Protokoll argumentierte der Raumplaner des Kreises, Herr Ziel, ausgesprochen defensiv:
Als nächstes berichtet Herr Ziel, dass das Nds. Ministerium für Wirtschaft die Regelungen zum Schutz von Boden sowie Oberflächen- und Grundwasser vor „schädlichen Stoffen“ bei der Gewinnung von Kohlenwasserstoffen für unnötig hält.Dazu führt Herr Ziel aus, dass die Raumordnung diese Regelung für angemessen hält, da sie sich weitestgehend auf die bestehende Gesetzeslage bezieht und auch die Genehmigungsbehörde sie für tragfähig hält. Deshalb soll sie weiterhin Bestand haben.Trotzdem soll mit dem Einwender eine Erörterung erfolgen. Herr Bernd Meyer fragt nach, ob ein weitergehender Schutz durch Umformulierungen möglich ist. Herr Ziel ist der Auffassung, dass mit der bestehenden Regelung die Grenze dessen erreicht ist, was über die Raumordnung möglich ist.
Nach diesen Ausführungen ist zu erwarten, dass es bei der knappen Formulierung im regionalen Raumordnungsprogramm für den Landkreis Harburg bleibt. Dort heißt es in der Entwurfsfassung unter Punkt 3.1.1.:
Ein Eintrag von schädlichen Stoffen in den Boden im Rahmen von Erkundungen und Förderungen von Kohlenwasserstoffen ist auszuschließen.
Leider fehlen konkretere Hinweise oder gar der ausdrückliche Schutz der eiszeitlichen Rinnen (Hanstedter Rinne, Wintermoorer Rinne), aus denen im Landkreis Harburg das meiste Trinkwaser stammt (und fast alles Wasser, was nach Hamburg geliefert wird). In der Begründung wird eigentlich nichts deutlicher:
Die Auswirkungen von Erkundungen und Förderungen von Kohlenwasserstoffen sind bislang unzureichend erforscht. Ein Eintrag von schädlichen Stoffen in den Untergrund kann in diesem Zusammenhang nicht sicher ausgeschlossen werden (vgl. Kap. 3.2.4.1). Aufgrund der vielfältigen Funktionen des Bodens (s. o.) ist dieser – insbesondere die seltenen und wertvollen Böden – vor Beeinträchtigungen durch das Hydraulic-Fracturing-Verfahren (kurz „Fracking“) zu schützen. (S. 55)
In der Präsentation des Landkreises für die Raumordnungs-Anhörung der Kommunen im Kreis Harburg (07.04.2016) sind keine weiteren Ergänzungen zu finden, also bleibt es (wie vermutet) bei den knappen Sätzen des 2. Entwurfs. Dass weitergehende Aussagen im regionalen Raumordnungsprogramm möglich sind, zeigt sich im Kreis Rotenburg. Dort heißt es:
03 Zur Aufsuchung und Gewinnung von Erdgas und Erdöl sowie zur Speicherung dieser und anderer Stoffe und zur Anwendung der Geothermie dürfen nur Verfahren eingesetzt werden, die nachweislich keine Gefährdung und keine qualitative und quantitative Verschlechterung der als Vorranggebiete Trinkwassergewinnung festgelegten Grundwasservorkommen hervorrufen können. (S. 45)
Und in der Begründung wird dort ausgeführt:
Die sich im Planungsraum zwangsläufig ergebende „Konkurrenz“ zwischen Energiegewinnung aus Erdgas (und evtl. Erdöl) und Trinkwassergewinnung soll für die Gebiete mit der Priorität Trinkwassergewinnung zugunsten der Trinkwasser-Versorgungssicherheit gewichtet werden. Vorrangig ist der durch das Grundgesetz in Art. 20 a geschaffene verfassungsrechtliche Schutz des Wassers als Lebensgrundlage künftiger Generationen anzuführen. Damit wird einerseits ein zeitlicher Rahmen vorgegeben, der den erwarteten Ertragszeitraum aus den heute bekannten Erdgasvorkommen im Planungsraum (ca. 15 Jahre) um ein vielfaches übersteigt. Andererseits ist damit ein Auftrag an alle Träger öffentlicher Gewalt verbunden, diese Lebensgrundlagen qualitativ und quantitativ zu schützen und auch zu sichern. Gleichzeitig entspricht dieses Ziel den rechtlichen Vorgaben aus dem ROG (vgl. Grundsatzkatalog § 2 Abs. 2 ROG: nachhaltiger Ressourcenschutz, umweltverträgliche Energieversorgung, Funktionsfähigkeit des Wasserhaushalts, Schutz der Grundwasservorkommen). Zusätzlich zu den bereits bestehenden Fachgesetzen (insbesondere BBodSchG, BNatSchG, WHG) soll mit planerischen Mitteln die Erreichung des Verfassungszieles unterstützt werden. Schließlich ist noch der im Vergleich zu Bodenschätzen und Belangen der Energiegewinnung höherwertige Schutz des Wassers (wie auch des Bodens und der Luft) durch Strafnormen zu nennen (§§ 324 ff. StGB und ggf. Spezialnormen in den Fachgesetzen). Auch ohne Anhaltspunkte für bevorstehende Straftaten macht der Gesetzgeber damit deutlich, dass mit allen öffentlich-rechtlichen Mitteln eine Beeinträchtigung dieser Schutzgüter zu verhindern ist. Insbesondere hinsichtlich der öffentlichen Trinkwasserversorgung stehen die Interessen der gesamten Bevölkerung im Planungsraum den wirtschaftlichen Interessen der Energiegewinnungsunternehmen gegenüber. Der derzeitige Wandel hin zu regenerativen Energien lässt eine Abwägung zugunsten der Gewinnung von Kohlenwasserstoffen als eine von mehreren Energiequellen innerhalb von Vorranggebieten Trinkwassergewinnung, welche die wichtigste und unverzichtbare Lebensgrundlage schützen, unter Berücksichtigung der hier aufgezeigten rechtlichen und tatsächlichen Rahmenbedingungen nicht zu. Aktivitäten zu Aufsuchung, Gewinnung und Speicherung von Kohlenwasserstoffen außerhalb der Vorranggebiete Trinkwassergewinnung werden durch dieses Ziel nicht beeinträchtigt. (S. 114)
Im Landkreis wird das Thema demnächst weiter beraten – zunächst im Bau- und Planungsausschuss am 18. Mai 2016 (Zeit und Ort können der Homepage des Landkreises entnommen werden (5).
(1) Petition Niedersächsischer Landtag
(5) https://www.landkreis-harburg.de/allris/au010.asp
(Ingo Engelmann)