Wer für Bohrschlamm eine Grube gräbt…

Bohrschlammgruben lagen in den sechziger und siebziger Jahren in der Regel direkt neben den Bohrstellen. Beim Niederbringen einer Bohrung kam ja tonnenweise Sand, Schlamm und Flüssigkeit zusammen, die gleich daneben gekippt wurden. Augenzeugen aus dieser Zeit wissen noch, wie da jeden Tag was ausgeschüttet wurde und später einfach überdeckt mit einer Sandschicht. Es gibt keine Karten, auf denen diese Schlammgruben verzeichnet wären, und die Bergaufsicht hat keine Ahnung, was sie da hätte kontrollieren sollen – und schon gar nicht, was darin denn im Einzelfall für Stoffe enthalten waren, welche Schwermetalle, wie radioaktiv strahlend, welche BTEX-Stoffe (krebserregend) usw. Ein großer Anteil des Schlamms dürfte eher harmlos sein, Bentonit oder ähnliches. Anderes müsste kostenintensiv abgeschieden werden, strahlende Anteile stellen ein besonderes Entsorgungsproblem dar.

Von den BIs wurde in den letzten Jahren immer wieder darauf hingewiesen, dass hier Zeitbomben schlummern. Keiner weiß, ob und wann in welchem Umfang etwas aus den Gruben ins Grundwasser sickert und das Trinkwasser vergiftet. Der gesunde Menschenverstand sagt, dass das eigentlich nur eine Frage der Zeit sein kann. Vierzig, fünfzig Jahre mag es im Großen und Ganzen gut gegangen sein. Das heißt aber überhaupt nicht, dass das in den nächsten vierzig, fünfzig Jahren auch so sein wird, im Gegenteil: Die Wahrscheinlichkeit von Verunreinigungen steigt.

Die NDR-Redakteurin Alexa Höber hat schon 2014 das Thema aufgegriffen und seitdem in mehreren Fernsehbeiträgen (v.a. „Markt im Dritten“) die Dringlichkeit dargestellt. Ihre Informationen erhielt sie vor allem von Bürgerinitiativen und einzelnen Mitstreitern: Renate Maaß von der BI „Kein Fracking in der Heide“ und anderen. Renate Maaß war es, die nachweisen konnte, dass in Stemmen (zwischen Tostedt und Lauenbrück an der Kreisgrenze Rotenburg/Harburg) in unmittelbarer Nähe zum Tister Bauernmoor (einem überregional renommierten Vogelflug-Rastplatz v.a. für Kraniche) eine Bohrschlammgrube kurz unter der Grasnarbe Tankstellen-Atmosphäre verbreitete. Im Landkreis Harburg wurde mit ihrer Hilfe eine Grube ausfindig gemacht, die direkt im Wasserschutzgebiet liegt.

Das Landesbergamt reagierte auf die Veröffentlichungen und legte in Kooperation mit dem Interessenverband der Öl- und Gas-Förderfirmen WEG ein Untersuchungsprogramm auf, mit dem 500 Bohrschlammgruben in Niedersachsen überprüft werden sollen. Jeder Landkreis benennt zunächst drei Plätze und sagt die Übernahme eines Eigenanteils zur Überprüfung zu. Die WEG will bis zu 5 Millionen Euro für das Paket übernehmen (1).

Erste Ergebnisse der Überprüfungen liegen nun vor. In Rotenburg wurde die Schlammgrube in Stemmen untersucht, und Landkreis und LBEG gaben Entwarnung. Da sei zwar Schlamm in größeren Mengen, aber es sei puddingartig eingebunden und es gebe keinen Austausch mit den umgebenden Bodenschichten. Daher werde das Grundwasser und auch das Trinkwasser nicht gefährdet. Eine Sanierung sei nicht erforderlich. Es wird also weiter stinken dort. BIs protestieren gegen diese vorschnelle Reinwaschung.

Im Zuge der Recherchen zum Thema stießen NDR und WDR auf eine interessante Entsorgungslandschaft (4). Heutzutage wird der Bohrschlamm nicht mehr einfach in die Gegend gekippt. Aber damit ergeben sich neue Probleme. Niedersachsen hat nämlich nicht die erforderliche Deponiekapazität in der entsprechenden Gefahren-Klasse, wo man Bohrschlamm hinbringen könnte. Es muss also durch die Lande gekarrt werden, meist nach Nordrhein-Westfalen, und dort endgelagert werden. Manches geht auch ins Ausland. Der Transport ist nicht so ohne, kürzlich verlor ein LKW in Sachsen-Anhalt bei einem Unfall 20 Tonnen Bohrschlamm (2). Auch heute noch ist meist nicht genau bekannt, wie giftig oder strahlend der Modder ist. Das Landesbergamt hat aber wissenschaftlich und entsprechen wortreich das Schadensszenario umrissen und den Untersuchungsplan vorbereitet (3). Es soll übrigens um hunderttausende Tonnen Bohrschlamm gehen, vielleicht aber auch bis zu zwei Millionen Tonnen. Genau weiß das keiner.

Heute abend berichtet „Markt“ im NDR-Dritten weiter über die Entsorgungslandschaft (Montag, 07. März 2016, 20:15 – danach in der Mediathek (5)).

(1) https://www.erdoel-erdgas.de/Themen/Klima-Umwelt/Untersuchung-historischer-Oel-und-Bohrschlammgruben
(2)http://www.mz-web.de/bernburg/nach-unfall-mit-bohrschlamm-auf-a14-beschaedigtes-auto–das-muessen-betroffene-autofahrer-wissen-23556632
(3)lbeg.niedersachsen.de/download/103146
(4) http://www.tagesschau.de/ausland/bohrschlamm-101.html
(5) http://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/markt/Entsorgung-Wohin-mit-giftigem-Bohrschlamm,markt10218.html

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